Düsseldorf/Shanghai Von Maos Republik zur Marktwirtschaft

Düsseldorf/Shanghai · Ab heute verhandeln EU und China über wirtschaftliche Themen. Vor allem die Stahlbranche verfolgt dies aufmerksam.

Dass sie auf einer Friede-Freude-Eierkuchen-Mission unterwegs sein würden, hatten EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk nicht erwartet. Beide reisten gestern in die Volksrepublik, um beim 18. EU-China-Gipfel auch unangenehme Themen anzusprechen. Schließlich überschwemmt Gastgeber China die Weltmärkte mit Dumpingstahl, während das Land auf die Anerkennung als Marktwirtschaft dringt - ein Widerspruch aus Sicht des Westens. Als wäre das nicht genug, nutzte Präsident Xi Jinping den Besuch der Herren aus Brüssel, um eine Bombe platzen zu lassen: Peking werde im Streit um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer eine Schiedsgerichtsentscheidung aus Den Haag ignorieren, sagte Xi.

Chinas Führung lässt die Muskeln spielen. Und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft schwächelt. "Der Wirtschaftsmotor in China stottert bereits seit Längerem", sagte Thomas Heck, Leiter der China-Gruppe bei der Unternehmensberatung PwC in Shanghai. "Auch wenn die Wachstumszahlen mit Vorsicht zu genießen sind, zeigt sich: Der Rückgang von zweistelligen Werten auf sechs bis sieben Prozent fällt dramatisch aus."

Allerdings gebe es große Unterschiede. "Besonders hart trifft es die Primärindustrie, etwa die Baumaschinen-Industrie." Hier gebe es kein Wachstum mehr, sondern einen echten Rückgang. "In den letzten Jahren gab es zahlreiche Großprojekte wie den Drei-Schluchten-Damm oder den massiven Ausbau des Eisenbahnnetzes", erklärt Heck. Inzwischen könne man die Strecke Peking-Hongkong komplett im Hochgeschwindigkeitszug zurücklegen. Nun zeige sich, dass massiv Überkapazitäten aufgebaut worden sind. "Wenn Sie heute aus Shanghai rausfahren, können Sie an der Autobahn einen Baumaschinenhersteller am nächsten sehen - alle Höfe stehen voll mit gelben Baumaschinen", sagt Heck. Zwar sehe auch der neue Fünf-Jahres-Plan Großinvestitionen vor wie den Bau von 20.000 Kilometern Bahnstrecke, allerdings werde das noch dauern.

In anderen Bereichen wie der Elektromobilität hätten die Firmen dagegen in den Investitionsmodus geschaltet. "Dort ist die Hoffnung groß, dass China der erste echte E-Mobilitäts-Markt werden könnte." So kündigte das chinesische Joint Venture Future Mobility gestern an, bis 2020 mit einem selbstfahrenden Elektroauto den Markt aufzumischen. Zu dem Team gehören neben einem ehemaligen BMW-Manager auch frühere Mitarbeiter von Tesla, Alphabet und Mercedes. Geplant sind Medienberichten zufolge 250.000 bis 400.000 Fahrzeuge jährlich. Das ist mehr als der US-Hersteller Tesla plant, der sich für das zweite Halbjahr 50.000 Autos zum Ziel gesetzt hat. Wachstum entsteht in China gerade in der Autoindustrie sowie im Handel, meint PwC-Experte Heck. Der Dienstleistungssektor wuchs zuletzt um zwölf Prozent. "Das ist auch erklärtes Ziel der Führung in Peking. Das Wachstum soll sich künftig noch stärker aus der Binnennachfrage speisen und weniger aus dem Export."

Und trotzdem dürften Juncker und Tusk heute mit ihren chinesischen Gesprächspartnern vor allem über den Marktwirtschaftsstatus sprechen, den der Westen dem Land bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt hat. "Beim Thema Anerkennung als Marktwirtschaft ist die Stoßrichtung Pekings klar,", sagt Heck. "Der Westen soll China den Status zugestehen." Denn dann würde bei künftigen Anti-Dumping Verfahren die Beweislast umgekehrt. Künftig müsste die EU China nachweisen, dass beispielsweise Stahl aus der Volksrepublik zu Dumpingpreisen auf den Markt geworfen wird. Für die Regierung in Peking ist die Frage nach dem Marktwirtschaftsstatus ein echtes Prestigeprojekt. "Der EU-China-Gipfel könnte in das Thema Bewegung bringen", glaubt Heck. Falls nichts passiert, hat Peking angedroht, bei der Welthandelsorganisation WTO Klage einzureichen.

(maxi)
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