Berlin/Brüssel Steuergeld für Diesel-Nachrüstung?

Berlin/Brüssel · Die Umweltminister machen weiter Druck auf die Auto-Industrie. Ärger droht der Branche auch aus dem EU-Parlament.

Für die Umrüstung alter Diesel-Fahrzeuge angesichts drohender Fahrverbote in vielen deutschen Großstädten muss möglicherweise der Steuerzahler aufkommen. "Es kann durchaus sein, dass Verkehrspolitiker der Auffassung sind, ok, wir teilen uns mal die Kosten", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gestern dem Radiosender WDR 5. Im Interesse der Verbraucher, so die SPD-Politikerin, solle aus ihrer Sicht aber die Autoindustrie die Kosten tragen.

Die Nachrüstung von alten Diesel-Fahrzeugen war das beherrschende Thema beim gestrigen Treffen der Umweltminister von Bund und Ländern. Hintergrund ist die Überschreitung der europaweit geltenden Stickoxid-Grenzwerte in rund 80 deutschen Städten. Die EU hat deswegen bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Die Verkehrsminister fordern daher in einer gemeinsamen Abschlusserklärung, dass der Bund sich bei den Herstellern "für eine technische Ertüchtigung von Diesel-Fahrzeugen in der gesamten Breite der Flotte" einsetzen solle. Bundesregierung und Autobranche sollten sich darüber verständigen wie die Verbraucher von den Kosten entlastet werden. "Dazu soll auch die Schaffung eines Ausgleichs- und Entschädigungsfonds geprüft werden", heißt es in der Erklärung.

Die Bundesregierung hat bereits eine milliardenschwere Förderprämie für Elektroautos aufgelegt, um den Absatz der Autoindustrie anzukurbeln - bislang ohne großen Erfolg. Das stellt die Industrie vor große Probleme, denn sie ist dringend darauf angewiesen, dass Fahrzeuge mit alternativen Antrieben gekauft werden, um die ab 2020/2021 in der Europäischen Union geltenden Grenzwerte von 95 Gramm Kohlendioxid (CO2) je gefahrenen Kilometer einzuhalten. Bislang hatte sie dafür auf Diesel-Motoren gesetzt, weil diese weniger CO2 ausstoßen als Benziner - dafür jedoch mehr Stickoxide als lange Zeit angenommen.

Und nun droht sogar weiterer Ärger: Denn geht es nach den Umwelt-und Verkehrspolitikern im Europa-Parlament, sollen die gesetzlichen Obergrenzen für den Kraftstoffverbrauch von Autos mit Verbrennungsmotoren sogar noch weiter sinken. Der sozialistische italienische Abgeordnete Damiano Zoffoli will als Berichterstatter im Umweltausschuss die Forderung durchsetzen, dass nach 2025 die EU-weit neu zugelassenen Pkws im Schnitt höchstens noch 68 bis 78 Gramm CO2 je gefahrenen Kilometer ausstoßen dürfen. Der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout will im Verkehrsausschuss erreichen, dass von 2025 bis 2030 die CO2-Obergrenzen jedes Jahr um sechs bis acht Prozent sinken. 2025 sollten sie etwa bei 70 Gramm liegen und 2030 bei 50 Gramm.

Das Parlament wird sich in den nächsten Wochen auf eine gemeinsame Position einigen und diese dann an die EU-Kommission übermitteln. Hintergrund ist, dass die Kommission derzeit einen Gesetzgebungsvorschlag zur weiteren Regulierung des Kraftstoffverbrauchs erarbeitet, der bis Ende des Jahres vorliegen soll. Wie in Brüssel zu hören ist, ist die Kommission derzeit im Gespräch mit der Industrie und den Verbänden, um die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen besser einzuschätzen. Das EU-Gesetzgebungsverfahren sieht dann vor, dass das Parlament, die Kommission sowie die Mitgliedsstaaten sich einigen. Die Einigung zwischen den drei EU-Institutionen kann mühsam sein: Als 2013 der Grenzwert von 95 Gramm CO² festgelegt wurde, hat etwa Deutschland im Rat, also der Brüsseler Institution der Mitgliedsstaaten, lange Zeit die Entscheidung hinausgezögert. Umweltorganisationen hatten Angela Merkel seinerzeit vorgeworfen, sich von der Automobilindustrie instrumentalisieren zu lassen.

Die Automobilindustrie hält es für zu früh, um sich auf eine Diskussion über Grenzwerte einzulassen. Der Branchenverband VDA kommentiert die Debatte so: "Auch außerhalb der Fahrzeugtechnik gibt es Reduktionspotenziale."

(RP)
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