Düsseldorf "Hustet China, bekommt die Welt Schnupfen"

Düsseldorf · Forscher, Politiker und Unternehmensvertreter rechnen damit, dass sich das Wachstum deutlich verlangsamt. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre erinnern frappierend an eine andere Krise: die in Japan.

Krise: "Hustet China, bekommt die Welt Schnupfen"
Foto: IW Köln, RP/Ferl

Es waren Schockwellen, die die chinesische Notenbank PBoC erstmals am Dienstag in die Welt ausgesandt hatte. Chinas Währungshüter hatten die zuvor strenge Bindung des Yuan gelockert, der in der Folge deutlich abwertete. Kritiker befürchten, die Führung in Peking starte einen Währungskrieg, um der schwächelnden Konjunktur frischen Schwung zu geben. Das Gleiche passierte gestern zum dritten Mal in Folge.

Aber: "Die Diskussion über den Wechselkurs wird zu aufgeregt geführt. Eine Ab- oder Aufwertung um vier Prozent findet regelmäßig auch zwischen Euro und Dollar statt, und dann kräht kein Hahn danach", sagt Jürgen Matthes, Leiter des Fachgebiets "Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur" am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Die Entwicklung lässt sich Matthes zufolge rational erklären: China hatte den Yuan vor allem an den Dollar gebunden. Während es in den USA konjunkturell spürbar nach oben geht und die Währung entsprechend stärker wird, verlangsamt sich das Wachstum in China - und trotzdem hat die chinesische Währung zuvor wegen der Dollarbindung deutlich aufgewertet. "Insofern spiegelt eine Abwertung durchaus die Richtung, die der Markt vorgibt", so der Experte, "Peking jetzt Willkür und ungerechtfertigte Währungsmanipulation vorzuwerfen, halte ich für überzogen." Das Gleiche gelte für die Debatte über einen vermeintlich drohenden Währungskrieg.

Allerdings ist die Änderung der chinesischen Währungspolitik nach Einschätzung des Ökonomen ein Symptom: Die Regierung in Peking scheine sich ernste Sorgen um die Konjunktur zu machen. "Eine handfeste Nachfrageschwäche Chinas hätte massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, nach dem Motto: Wenn China hustet, bekommt die Welt einen Schnupfen", sagt Matthes.

Klar sei, dass in China die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten vorbei seien, sagt auch Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Zuwächse von jährlich sechs bis sieben Prozent seien jetzt realistisch. Ähnlich sieht das NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD): "Das bisher hohe Wachstumstempo war auf Dauer nicht zu halten. Mit der aktuellen Verlangsamung kehrt ein Stück Normalität in die Wirtschaftsbeziehungen ein."

Allerdings birgt diese Entwicklung nach Ansicht von Experten auch Gefahren: Bei einem Abrutschen unter die Marke von sieben Prozent Wachstum würde sich auch die Frage stellen, ob noch hinreichend neue Jobs entstehen, sagt Ökonom Matthes. "Sollte die Arbeitslosigkeit steigen, besteht das Risiko sozialer Unruhen", prognostiziert der IW-Experte.

Manche fragen sich bereits, ob China nicht vielleicht ähnlich wie Japan eine tiefe und nachhaltige Krise drohen könnte. Für Japan wurde einst auch anhaltend dynamisches Wachstum erwartet. Nur wenige konnten sich vorstellen, dass ein solches Hochtechnologie-Land einmal so tief und für so lange Zeit abstürzen könnte. Einige Parallelen zu China gibt es durchaus: Vor der Krise kam es in Japan im Zuge einer sehr expansiven Geldpolitik dazu, dass die Banken sehr viele Kredite vergaben, zu viel investiert wurde - auch in unrentable Anlagen - und der Immobilienmarkt stark überhitzte. "Diese strukturellen Probleme führten dann mit zum Kollaps, der vor allem die japanischen Banken lange Zeit in Mitleidenschaft zog", erklärt Matthes. "Auch in China wurden im Zuge von Konjunkturprogrammen und expansiver Geldpolitik nach der globalen Finanzkrise viele staatliche Investitionen getätigt, deren Rentabilität fraglich ist." Ebenso drohe der Immobilienmarkt in Teilen Chinas zu überhitzen. "Sollte die Immobilienblase abrupt platzen und sollten Fehlinvestitionen verbreitet zu Verlusten führen, würde das nicht spurlos am chinesischen Bankensystem vorbeigehen, das zuvor reichlich Darlehen vergeben hat", sagt der Konjunktur-Fachmann, "hier ist die Lage sehr intransparent, aber das Problem fauler Kredite bereits jetzt ein Thema." Es sei aber letztlich schwierig zu sagen, ob China das gleiche Schicksal drohe wie Japan.

Noch scheint aber bei den hiesigen Firmen Gelassenheit vorzuherrschen. "Insgesamt haben die deutschen Unternehmen ihre Erwartungen an die neue wirtschaftliche Realität in China bereits angepasst", sagte Wansleben. "Sie gehen von einem langsameren Wachstum von Umsätzen und Gewinnen aus." Die Unternehmen vor Ort würden aber weiter expandieren. Das zeigten Umfragen der Außenhandelskammern.

Auch an den Aktienmärkten kehrte Ruhe ein: Nach zwei verlustreichen Tagen eroberte der Dax die Marke von 11 000 Punkten zurück. Er beendete den Handel mit 11 014,63 Zählern.

(maxi / mar)
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