Hooligan-Ausschreitungen Angriff auf die EM

Marseille/Berlin · Die schweren Ausschreitungen von russischen und englischen Hooligans in Marseille kamen nicht aus heiterem Himmel. In Lille sorgten auch deutsche Hooligans für hässliche Szenen.

Fragen und Antworten zu den Ausschreitungen
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Foto: dpa, hm lof

Nach den schlimmen Jagdszenen in den französischen Hafenstädten Marseille und Nizza hat der europäische Fußballverband Uefa reagiert und Russland und England mit einem Turnierausschluss gedroht. Sollten sich die Exzesse von Hooligans wiederholen, müssten beide Mannschaften mit der sofortigen Heimreise von der EM in Frankreich rechnen. Ein englischer Fan wurde in Marseille mit einer Eisenstange lebensgefährlich am Kopf verletzt, so dass er wiederbelebt werden musste - er blieb nicht das einzige Opfer. Man werde "nicht zögern", weitere Sanktionen gegen die Verbände zu verhängen, "inklusive der möglichen Disqualifikation der betreffenden Teams vom Turnier, sollte sich die Gewalt wiederholen", hieß es in einem Statement nach einer Krisensitzung des Exekutivkomitees.

Möglicherweise wird diese Drohung weitere Teilnehmerländer treffen - darunter auch Deutschland. Denn vor dem Spiel der Nationalmannschaft gegen die Ukraine in Lille ist es ebenfalls zu Auseinandersetzungen gekommen. Mehr als 50 deutsche Hooligans griffen dabei am späten Nachmittag in der Nähe des Bahnhofs ukrainische Fans an. Es flogen Flaschen und Stühle. "Die französische Polizei hat sehr spät eingegriffen", sagte Volker Goll, stellvertretender Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), der als Ansprechpartner für deutsche Fans vor Ort ist. Es ist nicht das erste Mal, dass die französischen Einsatzkräfte bei einer Lagebeurteilung versagt haben. Nach Informationen unserer Redaktion aus Sicherheitskreisen sollen sich mehr als 200 polizeibekannte deutsche Gewalttäter zurzeit in Frankreich aufhalten - darunter viele aus dem rechtsextremen Milieu.

"Wir haben mit Frankreich einen Informationsaustausch über die polizeibekannten und gewalttätigen deutschen Hooligans eingerichtet und die Namen und Daten von rund 2500 Personen übermittelt", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der "Bild am Sonntag". Bei Grenzkontrollen unterstützen deutsche Beamte, die sich in der Szene auskennen würden, ihre französischen Kollegen. Nur wenige von den deutschen Hooligans kann man allerdings überhaupt an der Ausreise hindern, weil es für sie keine Meldeauflagen gibt.

Im Innenministerium betonte man lieber die Erfolge. "Heute sind auf deutscher Seite schon Fans gestoppt worden, bei denen Gewaltbereitschaft vermutet werden konnte", berichtete der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU). Allerdings könnten die Sicherheitsbehörden "beim Stoppen von deutschen Hooligans sicher nicht immer lückenlos erfolgreich sein", sagte er. "Wenn Fans, die bisher nicht als einschlägig in Erscheinung getreten sind, plötzlich gewalttätig werden, stößt die Kontrolle natürlich an ihre Grenzen", schränkte Krings ein.

In Marseille kamen die Krawalle nicht aus heiterem Himmel. Bereits zwei Tage vor der Partie war es zu Auseinandersetzungen gekommen. Schon im Vorfeld galt die Partie zwischen England und Russland mit entsprechendem Gewaltpotenzial in beiden Lagern als Hochrisikopartie. Laut französischen Medien sollen insgesamt 2000 Beamte im Einsatz gewesen sein. Die hielten sich allerdings weitestgehend zurück, es kam nur vereinzelt zu Festnahmen. Auch im Stadion gingen die Ausschreitungen weiter. Russischen Hooligans war es gelungen, Leuchtraketen ins Stadion zu schmuggeln und abzufeuern. Zudem stürmten sie den Block der Engländer und prügelten auf Fans ein.

(mar)
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