Einsatz der Bundeswehr Deutschlands neue Verantwortung

Berlin · Die Regierung aktualisiert die Grundlinien deutscher Sicherheitspolitik. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern bleibt verboten.

 von der Leyen zu Besuch bei Bundeswehrsoldaten in Incirlik.

von der Leyen zu Besuch bei Bundeswehrsoldaten in Incirlik.

Foto: dpa, tanja wendt lof

Deutschland werde sich "früher, entschiedener und substanzieller" an der Lösung internationaler Konflikte beteiligen, lautete die Formel, die Bundespräsident Joachim Gauck vor zwei Jahren bei der Münchner Sicherheitskonferenz der Welt präsentierte. Nun ist der Satz im neuen Weißbuch der Bundesregierung auf 83 Seiten durchbuchstabiert worden. So will Deutschland internationalen Verpflichtungen künftig "kurzfristig" Rechnung tragen. Die veränderten außen- und sicherheitspolitischen Grundlinien will die Bundesregierung heute beschließen. Vor allem die Wandlung in der Wahrnehmung Russlands vom Partner zur Bedrohung und die Herausforderungen durch Cyber-Angriffe gehören zu den auffälligen Neuerungen.

Dagegen ist der Klassiker der sicherheitspolitischen Auseinandersetzung wieder nur verklausuliert zu finden: der angesichts wachsender Terrorgefahren in vielen Ländern selbstverständliche, in Deutschland verbotene Militäreinsatz im Innern. Er bleibt der vor allem technischen Amtshilfe im Katastrophenfall vorbehalten. Obwohl CDU und CSU dies wiederholt forderten, schrieb es Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schon nicht in den Entwurf. Doch selbst die wenigen Formulierungen, die Detailfragen klären sollten, wurden im zähen Abstimmungsprozess mit den SPD-regierten Ministerien entschärft.

Zusammenspiel von Polizisten und Soldaten soll eingeübt werden

"Unterhalb der Schwelle zum Einsatz", heißt es nun in der entsprechenden Passage, könnten "Zwangsmaßnahmen und hoheitliche Befugnisse" nicht ausgeübt werden. Straßensperren und Kontrollen bleiben somit allein der Polizei vorbehalten, selbst wenn deren Kräfte erschöpft sein sollten. Jedoch soll das Zusammenspiel von Polizisten, Katastrophenhelfern und Soldaten künftig ausdrücklich eingeübt werden.

Dieser Passus bringt die Bundeswehr im Innern als Teil deutscher Sicherheitspolitik in Stellung, wie es die Union will. Mit der Beschränkung kann aber auch die SPD gut leben. "Die Prozesse sind nicht eingeübt. Es ist sinnvoll, das nicht nur auf regionaler, sondern auch auf Bundesebene zu trainieren", sagt Verteidigungsexperte Rainer Arnold.

Er freut sich, dass das Weißbuch ein "klares Bekenntnis zu einer vertieften europäischen Zusammenarbeit bis hin zu einer Verteidigungsunion" enthält. Auch die Rüstungskontrolle stehe drin, was der SPD sehr wichtig sei. Einen Schwachpunkt hat er allerdings ausgemacht: "Das Weißbuch macht sich finanziell nicht ehrlich." Es tue so, als sei alles finanzierbar, was die Ministerin fordere. Doch das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzuwenden, werde schon in diesem Jahr nicht erreicht. Und im nächsten Jahr sinke es noch weiter unter die 1,2 Prozent. "Da wäre es besser gewesen, Leistungen zu priorisieren und festzulegen, was wir richtig gut machen wollen - alles werden wir nicht leisten können", so Arnold.

Für die Grünen ist das Weißbuch aus der Zeit gefallen

Die Linken stört, dass das Weißbuch zu vieles ausblende. Obwohl seit dem Erscheinen des letzten Weißbuches vor zehn Jahren der erste große Kampfeinsatz der Bundeswehr zu Ende gegangen sei, werde dieser nicht bilanziert, kritisiert Verteidigungsexpertin Christine Buchholz. Die Ankündigung von mehr "Ad-hoc-Kooperationen" lasse die Beteiligung der Bundeswehr an noch mehr Kriegen befürchten. Buchholz ist auch über die Formulierung gestolpert, im digitalen Informationsraum brauche die Bundeswehr "defensive und offensive Hochwertfähigkeiten". Das sei genau das, was Russland vorgeworfen werde: die Vermischung von Militärischem und Zivilem.

Die Grünen betrachten das Weißbuch als "aus der Zeit gefallenes Dokument konservativer Verteidigungspolitik". Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger hält es für höchst problematisch, dass Auslandseinsätze künftig außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit und innerhalb von Koalitionen von Willigen geführt werden sollen. Das verstoße gegen die Verfassung und schwäche die Vereinten Nationen.

Die Grünen hatten auf eine moderne und handlungsfähige Sicherheitspolitik gehofft, die aufzeige, wie die starren Grenzen zwischen den Ministerien mit ihren Eitelkeiten überwunden werden. Stattdessen werde eine Aufwertung des Bundessicherheitsrates vorgeschlagen. "In dessen Hinterzimmern hat sich die Bundesregierung gerade für ein Rekordhoch deutscher Waffenexporte verantwortlich gezeigt, und damit ist dieser ganz sicher weder Ort noch Symbol für eine vernünftige und transparente Sicherheitspolitik", so Brugger.

(may-)
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