Flüchtlingskrise Sigmar Gabriel warnt CSU vor Panikmache

Berlin · Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat nach den Drohungen aus Bayern in der Flüchtlingskrise zu mehr Sachlichkeit aufgerufen. Der SPD-Chef sagte in einem Interview, es helfe weder Gesundbeten noch Panik- und Angstmache – "und schon gar keine starken Sprüche wie aus der CSU."

Das ist Sigmar Gabriel
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Das ist Sigmar Gabriel

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat nach den Drohungen aus Bayern in der Flüchtlingskrise zu mehr Sachlichkeit aufgerufen. Der SPD-Chef sagte in einem Interview, es helfe weder Gesundbeten noch Panik- und Angstmache — "und schon gar keine starken Sprüche wie aus der CSU."

Es gebe keine Zugbrücke, die man vor Deutschland hoch ziehen könne, sagte Gabriel, in dem Interview mit der "Bild"-Zeitung. "Und Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett wird selbst die CSU nicht an den Grenzen aufmarschieren lassen, um Flüchtlinge abzuwehren."

Til Schweiger: Flüchtlings-PK mit Sigmar Gabriel und Thomas D
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Schweiger bei Flüchtlings-PK mit Gabriel und Thomas D

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Foto: dpa, rje vfd

Am Freitag hatte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer damit gedroht, Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich zurückzuweisen. Zudem hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gesagt, sein Land behalte sich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor, sollte der Bund nicht bald wirksame Maßnahmen ergreifen, den weiteren Zuzug von Asylbewerbern zu begrenzen.

Vize-Kanzler Gabriel sagte, sinkende Flüchtlingszahlen seien erst dann zu erreichen, wenn die Ursachen der Flucht beseitigt würden und es zu einem Waffenstillstand in Syrien komme. "Bis dahin müssen wir die Nachbarländer Syriens — Jordanien, Libanon und die Türkei — so stark unterstützen, dass die Flüchtlinge sich gar nicht erst auf den Weg machen müssen, sondern nahe ihrer Heimat bleiben können."

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Foto: dpa, awe

Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, reagierte gelassen auf den bayerischen Vorstoß. Die Bundesregierung habe überhaupt keinen Anlass, sich deswegen Gedanken zu machen, sagte der CDU-Politiker in den ARD-"Tagesthemen". "Denn wir sind überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln und dass es ja gerade das Grundgesetz ist, was uns dazu verpflichtet, den Menschen zu helfen, die in Not sind."

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die angedrohte Klage als "heiße Luft". Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) betonte in der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Wer bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht, wird ihn auch erhalten. Das Asylrecht wird nicht angetastet." SPD-Vize Ralf Stegner sagte dem "Handelsblatt": "Bayerische Sonderwege jenseits des Asylrechts oder populistische Stammtischpolitik lösen kein einziges Problem, sondern verschärfen nur die Schwierigkeiten."

Eine Nacht in der Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft
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Eine Nacht in der Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft

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Foto: Bernd Schaller

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte unserer Redaktion: "Wer wie Seehofer glaubt, mit ein paar Grenzkontrollen und verstärkten Rückführungen Bayern einzäunen zu können und so die Anzahl der Flüchtlinge zu begrenzen, der hat das Ausmaß der Krise im Nahen Osten nicht verstanden."

SPD-Linke kritisieren Gabriel und Steinmeier

Derweil haben Vertreter des linken SPD-Flügels Forderungen von Parteichef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisiert, den Flüchtlingszuzug auf mittlere Sicht zu begrenzen. "Populistische Töne anzuschlagen, schadet der Willkommenskultur und der Akzeptanz der Flüchtlinge in der Bevölkerung", sagte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis dem Berliner "Tagesspiegel". "Wir sollten uns darauf konzentrieren, für mehr Unterstützung der Städte und Gemeinden durch den Bund zu sorgen, anstatt Zweifel zu säen und Ängste zu schüren." Ähnlich äußerte sich Juso-Chefin Johanna Uekermann in der Zeitung: "Anstatt über Zahlen zu spekulieren, müssen wir mutig handeln und jetzt in den Wohnungsbau sowie Integrationsangebote investieren."

Gabriel und Steinmeier hatten in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag für den "Spiegel" bekräftigt: "Wir können nicht dauerhaft in jedem Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge aufnehmen und integrieren." Die Hilfsbereitschaft dürfe nicht überfordert werden.

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(REU/dpa)
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