Bürgerschaftswahl in Bremen Die SPD hat Böhrnsen, die CDU ein Problem

Düsseldorf (RPO). Die Bremer haben gewählt: Den Hochrechnungen zufolge hat die SPD die Bürgerschaftswahl mit 38 Prozent klar gewonnen. Die Grünen erzielten mit 23 Prozent klare Zugewinne und sind zweitstärkste Partei. Für die die CDU geriet der Abend zum Weckruf der unangenehmen Sorte. Mit gerade einmal 20 Prozent ist sie erstmals in einem westdeutschen Parlament dritte Kraft. Die FDP scheitert im Gegensatz zur Linkspartei an der Fünf-Prozent-Hürde. Neu ins Parlament rutschen die Rechtspopulisten der Initiative "Bürger in Wut" (BIW).

Wahl in Bremen: FDP elend, Grüne euphorisch
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Wahl in Bremen: FDP elend, Grüne euphorisch

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Als der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) wenige Minuten nach der ersten Prognose in den Saal zu seinen Parteifreunden kommt, gibt es riesigen Jubel und stehende Ovationen. Der 62-Jährige winkt, strahlt und lässt sich feiern. Seine Partei, die seit 65 Jahren in Bremen regiert, ist abermals klar stärkste Kraft in der Hansestadt. So lautete das ausgerufene Wahlziel der Sozialdemokraten und so sahen es auch die ersten Prognosen.

Dass die Bremer die rot-grüne Regierung im Amt bestätigen würden, war nach den jüngsten Umfragen zufolge allgemein erwartet worden. Beide Parteien legten bei der Bürgschaftswahl 2011 zu. Die SPD verbesserte sich laut Hochrechnung von 21.41 Uhr leicht von 36,7 auf 38 Prozent, die Grünen legten gleich 6,5 Prozentpunkte zu und finden sich nun auf einem Bremer Rekordhoch von 23 Prozent wieder.

Rot und Grün können sich feiern

Damit können sich beide Regierungsparteien feiern lassen. Die Grünen, weil sie entsprechend dem Bundestrend und nach der Fukushima-Diskussion mächtig zugelegt haben, die SPD, weil sie sich im Vergleich zu 2007 leicht verbesserte und den Abstand zu den folgenden Parteien vergrößern konnte.

Die Hochrechnungen bestätigten im Lauf des Abends die ersten Prognosen. Ein vorläufiges Endergebnis ist nicht vor Montag zu erwarten. Bremen hat ein neues, komplizierteres Wahlrecht mit fünf Stimmen für jeden Wähler bekommen.

Beunruhigende Signale

An der klaren Verteilung von Sieg und Niederlage dürfte sich jedoch kaum noch etwas ändern. Während Rot-Grün weiterregieren kann und dies allen schwarz-grünen Avancen der CDU zum Trotz auch tun will, verloren die bürgerlichen Parteien. Für beide setzt der Wahlgang in Bremen unangenehme und durchaus beunruhigende Signale. Die CDU wurde in der Geschichte der Bundesrepublik trotz des Kanzlerinnen-Bonus erstmals in einem westdeutschen Landesparlament nur dritte Kraft. Die Liberalen scheiterten allem Anschein trotz ihrer personellen Neuaufstellung klar an der Fünf-Prozent-Hürde.

Nicht nur die Bremer CDU wird dieses Wahlergebnis noch lange beschäftigen, auch wenn dem Urnengang für das kleinste Landesparlament der Bundesrepublik kaum repräsentative Kraft zukommt. Während SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die Sozialdemokraten als erfolgreiche Großstadtpartei feiert, muss sich die CDU Gedanken über ihre Zukunftsfähigkeit machen.

Bei jungen Wählern hat die CDU nichts zu melden

Nur bei den über 60-Jährigen hat sie in Bremen Werte von über 20 Prozent erzielt. Bei den Jüngeren laufen ihr hingegen die Grünen den Rang ab - in den Städten und zunehmend auch in der Fläche, wie im März das Wahl-Ergebnis im Grünen-Stammland Baden-Württemberg gezeigt hat.

In den ersten Reaktionen tun sich die Christdemokraten mit Erklärungen schwer. Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lünnemann spricht in ihrer ersten Reaktion von einem "bitteren Ergebnis, gar keine Frage." Aus den desaströsen 20 Prozent versucht sie noch, einen Wählerauftrag für eine "starke Opposition" zu zimmern. Doch eigentlich hatte sie schon in den letzten Wahlkampftagen eingeräumt, eine "Mission Impossible" anzuführen.

Die Bilanz der SPD ist horrend

Auch der Bundestrend sprach gegen die Union. Bereits zum vierten Mal in diesem Jahr musste Generalsekretär Hermann Gröhe vor den Kameras eine Wahlschlappe schönreden. Hamburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und jetzt Bremen.

Dabei war die Ausgangslage in der Hansestadt eigentlich so schlecht nicht. Zwar stellt die SPD in Bremen seit 65 Jahren den Regierungschef. Doch ist die sozialdemokratische Bilanz mit einer horrenden Verschuldung, der höchsten Arbeitslosenquote in Westdeutschland und miserablen Pisa-Ergebnissen ausgestattet. Doch sei es ihrer Partei nicht gelungen, eine Wechselstimmung herzustellen, stellt Spitzenkandidatin Mohr-Lünnemann nüchtern fest.

Bremen - auch eine Bürgermeisterwahl

Die SPD hat hingegen den Erfolg dem Traditionsbewusstsein der Bremer und Bürgermeister Jens Böhrnsen zu verdanken. Der hat die argen Probleme der Stadt nie unter den Teppich gekehrt, aber es geschafft, den Blick nach vorne zu richten. "Wir haben finanzielle Probleme, wir sind in einer schwierigen Haushaltslage", sagte er. "Da wollen wir rauskommen." Er halte das Sanierungsziel für erreichbar, ab 2020 keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen. Bremens Probleme seien "über Jahrzehnte entstanden, das lösen Sie nicht innerhalb von wenigen Jahren".

Die Bürger vertrauen ihm allem Anschein nach. In Umfragen kommt er auf Zustimmungswerte von fast 80 Prozent — auch bei der politischen Gegnerschaft. Nicht zuletzt Böhrnsens Zeit als Interims-Bundespräsident hat ihm weitere Sympathiewerte eingebracht. Die Wahl der Bremer SPD war zweifellos auch eine Personenwahl.

FDP auf dem Nullpunkt

Einen generellen Aufschwung auch für die Bundesebene lässt sich daraus jedoch kaum herauslesen. Im ARD-Deutschlandtrend stagniert die SPD weiter bei 26 Prozent und hat mindestens ebenso mit der Zukunftsfrage zu kämpfen wie die CDU. Nur die Wähler-Statistiken der Grünen weisen einen Schwerpunkt bei den jüngeren Wählern auf.

Neben der CDU zählt auch die FDP zu den Verlierern des Abends. Allerdings hatten auch nur noch Berufsoptimisten mit einer Trendwende gerechnet. Drei Prozent haben die Liberalen verloren, gerade einmal drei Prozent sind ihr der ARD-Prognose geblieben - trotz der personellen Neuaufstellung. Die Parteiführung will den Ausgang der Bremen-Wahl jedoch nicht als erste Schlappe für den neuen Parteichef Philipp Rösler gewertet wissen. Die Bürgerschaftswahl sei keine Abstimmung über den Neuanfang der FDP gewesen, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner am Sonntag in der ARD. Die Liberalen hätten gerade erst damit begonnen, nach ihrer Neuaufstellung Vertrauen zurückzugewinnen.

"Bürger in Wut"

Neben den bundesweit bekannten Parteien schafft aller Voraussicht nach auch die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) den Sprung in die Bürgerschaft vertreten. Die Partei hatte bei der jüngsten Wahl knapp die Fünf-Prozent-Hürde in Bremerhaven genommen. Durch eine Besonderheit des Wahlrechts genügt für den Einzug in die Bürgerschaft der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in einer der beiden Städte. Die Bürger in Wut hatten bislang einen Sitz in der Bürgerschaft.

Erstmals bei einer Landtagswahl überhaupt durften in Bremen am Sonntag auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben. Die Hansestadt hatte ihr Wahlgesetz 2009 entsprechend geändert und so bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen.

(dapd/RTR/AFP/pst)
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