Zehn Prozent in Umfragen AfD — Höhenflug am rechten Rand

Düsseldorf · Mit der Flüchtlingskrise feiert die Alternative für Deutschland ein Comeback. Noch vor wenigen Monaten war sie so gut wie tot. Seitdem sie mit rechtsextremen Positionen kokettiert, legt sie in Umfragen zu. Ihren Erfolg verdankt sie der Angst vor dem Kontrollverlust der Etablierten. Ein Parteienforscher geht davon aus, dass das Ende noch nicht erreicht ist.

 Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und ihr enger Vertrauter Marcus Pretzell.

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und ihr enger Vertrauter Marcus Pretzell.

Foto: dpa, mjh cul gfh

Innerhalb von vier Monaten ist die Alternative für Deutschland wieder auferstanden. Noch im Juli 2015 lag die Partei in Trümmern. Gründer Bernd Lucke trat aus, Frauke Petry übernahm den Vorsitz. Vorausgegangen war ein offenes Zerwürfnis, bei dem sich die Führungsriege in aller Öffentlichkeit einen peinlichen Machtkampf geliefert hatte, Intrigen, üble Nachrede, Gezeter inklusive. Die Quittung in den Umfragen: Ein Absturz auf bundesweit drei Prozent.

Auf den Friedhof der Parteiengeschichte bringen mochte der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte die Alternative aber damals nicht. "Die große Koalition lähmt den Parteienwettbewerb", sagte Korte im Juli unserer Redaktion. Als Protestpartei habe sie weiterhin eine Chance. Ein weitsichtiges Urteil, wie sich jetzt zeigt.

Die Alternative hat sich gehäutet und mit der Flüchtlingskrise ein neues, identitätsstiftendes Thema gefunden. Mit dem Anwachsen der Flüchtlingszahlen steigt die Zustimmung. Noch im August liegt die Alternative nach Erhebungen von INSA/YouGov bei drei Prozent. Dann geht es aufwärts. 5,0 Prozent Anfang September, 6,0 Prozent Anfang Oktober, drei Wochen später sind es schon 8,5 Prozent. Am 10. November liegt sie mit zehn Prozent bereits im zweistelligen Bereich, in etwa gleichauf mit den Grünen und der Linken.

Schon seit August ist die Flüchtlingskrise akut, im September entscheidet Kanzlerin Angela Merkel, wegen eines humanitären Notstandes, Tausende Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen. Nach anfänglicher Begeisterung wächst die Unsicherheit.

Ihren Aufschwung nimmt die Entwicklung in Ostdeutschland. "Pegida", mit deren Positionen die AfD offen liebäugelt, erfährt neuen Zuspruch. In einer Umfrage für Sachsen klettert die AfD im September auf 13 Prozent — genauso viel wie die SPD. Anfangs gilt das noch als landestypische Besonderheit, schließlich sitzt die AfD in Dresden seit 2014 mit fast zehn Prozent der Stimmen im Landtag.

Doch auch über Sachsen hinaus macht die Alternative wieder Schlagzeilen. Vor allem durch die nationalistisch aufgeladenen Reden des thüringischen Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke bei den "AfD"-Versammlungen in Erfurt. Er wird zum neuen Aushängeschild. Dass er seine Partei mit seinen Positionen so weit an den rechten Rand treibt, dass sogar die Vorsitzende Frauke Petry seine Nähe meidet, schadet der Partei keineswegs.

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Foto: Screenshot Twitter/Matthias Knödler

Das Vertrauen in die Lösungskompetenz der großen Koalition erodiert, vor allem die Union erleidet Einbußen in der Wählergunst, während sie sich in öffentlichen Streitereien über den richtigen Kurs selbst zerlegt und die CSU der Kanzlerin "Kontrollverlust" bescheinigt. In dieser Stimmung hat Höcke Mitte Oktober seinen fragwürdigen Auftritt bei Günther Jauch, wo er sich bemüht, mit einer ausgeklappten Deutschlandfahne weiter Stimmung zu machen. Zielscheibe seiner Einwürfe sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch das "Kartell aus etablierten Parteien und Medien". Ein bekanntes Muster rechtspopulistischer Strömungen, das sich etwa in Österreich oder Frankreich schon lange bewährt hat.

Selbst die extremistischen Auswüchse aus den Reihen von "Pegida" und AfD versetzen dem Höhenflug keine Delle, ebenso wenig wie die zahlreichen Warnungen aus Wissenschaft und Politik. "Das, was wir heute sehen, sind offen Rechtsradikale", sagte unlängst SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel über "Pegida" und "AfD". "Die AfD ist dabei, in die rechtsextreme Ecke abzurutschen", warnte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), nachdem NRW-Chef Markus Pretzell gefordert hatte, Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt zu stoppen.

Eine Woche nach solchen Sätzen findet sich die Alternative für Deutschland bei zehn Prozent Zustimmung wieder. Wie viele der Partei tatsächlich ihr Kreuzchen geben würden, wenn Bundestagswahlen wären, steht zwar auf einem anderen Blatt. Doch sammelt sich bei der AfD in diesen Wochen ganz offensichtlich der Verdruss über die Politik der Kanzlerin. "Asyl braucht Grenzen. Rote Karte für Merkel", lautet das Motto der Proteste, zu denen die Alternative aufruft. "Merkel muss weg", skandieren ihre Anhänger.

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Das ist Frauke Petry

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Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer hält es für möglich, dass die AfD in der Wählergunst noch weiter zulegen wird. "Wenn, wie die Umfragen zeigen, immer mehr Leute das Gefühl haben, die Politik habe die Kontrolle über das Problem verloren, wenn die Ängste und Sorgen der Bevölkerung über die gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen der Flüchtlingswelle immer größer werden, wenn sich immer mehr Leute hiermit von den anderen Parteien alleingelassen fühlen, dann wird der Zuspruch für die AfD weiter ansteigen", sagte Niedermayer dem "Handelsblatt".

Der Düsseldorfer Parteienforscher zeigt sich beim Blick auf die Perspektiven der AfD eher zurückhaltend. In Deutschland gebe es ein Potenzial von 15 Prozent, die anfällig seien für rechtspopulistische Strömungen. Bisher habe es keine Partei geschafft, das abzurufen. "Das traue ich auch der AfD nicht zu", sagte Alemann unserer Redaktion. Wohl aber werde die Partei bei den Landtagswahlen 2016 sicher in die westdeutschen Landtage kommen. (Hier das Interview mit Ulrich von Alemann in voller Länge.)

Die Linkspartei betonte, sie nehme die wachsende Zustimmung für die AfD ernst. Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch sagte dem Sender "n-tv", das bedeute für ihn, "die ganz konsequente Auseinandersetzung mit allen rassistischen, fremdenfeindlichen Äußerungen und Vorurteilen, die bedient werden".

Hans-Olaf Henkel, der die AfD im vergangenen Juli verlassen hatte und jetzt Mitglied der neuen Partei Alfa ist, sagte "Focus Online": "Die neuesten Aussagen über Schießbefehle gegen Flüchtlinge oder völkerwandernde Barbaren zeigen, dass der Weg der AfD auf dem Weg hin zur NPD unaufhaltsam ist." Parteienforscher Niedermayer sieht die heutige AfD zwar deutlich weiter rechts als vor der Abspaltung des Flügels um Henkel und AfD-Gründer Bernd Lucke. Er betonte jedoch, dies bedeute nicht, "dass alle potenziellen Wähler der AfD Rechtsextremisten sind".

Mit Material von dpa

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(pst)
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