Kolumne Berliner Republik Dem Bundestag fehlt eine Obergrenze

Berlin · Groß, größer, Bundestag: Je nach Wahlausgang könnte das neue Parlament auf rund 700 Abgeordnete anschwellen. Eine Wahlrechtsreform bleibt in der neuen Legislaturperiode auf der Tagesordnung.

Kolumne Berliner Republik: Dem Bundestag fehlt eine Obergrenze
Foto: Quadbeck

Wenn man den Sumpf trockenlegen möchte, sollte man nicht die Frösche fragen. Wie sehr diese Volksweisheit auf den Bundestag zutrifft, haben die Abgeordneten in dieser Wahlperiode bewiesen. Vier Jahre lang schoben sie eine Wahlrechtsreform vor sich her, die die Zahl der Abgeordneten im Bundestag begrenzen sollte. Bemerkenswert: Als dann klar war, dass es auch in der auslaufenden Wahlperiode keine Gesetzesänderung mehr geben solle, begründete das SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht mit dem Hinweis, man wolle keine "Schnellschüsse". In Wahrheit war jede Fraktion nur auf ihre Vorteile bedacht gewesen, was die Kompromissfindung unmöglich machte.

Wenn die Bundesbürger am 24. September zu den Wahlkabinen gehen und ein neues Parlament wählen, wissen sie also nicht, wie groß der nächste Bundestag sein wird. Standard ist die Zahl von 598 Abgeordneten. Schon immer gab es die sogenannten Überhangmandate, nämlich dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hatte, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis Sitze im Bundestag zugestanden hätten. Doch davon profitierten vor allem Union und SPD, die eben am häufigsten die Direktmandate gewinnen.

Als Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts wurden dann bei der Wahl die Überhangmandate erneut so ausgeglichen, dass der Zweitstimmen-Proporz im Parlament in dieser Wahlperiode wieder hergestellt war. Allerdings bläht diese Regelung das Parlament auf. Vier Überhangmandate wurden mit wiederum 29 weiteren Abgeordneten ausgeglichen.

Wie groß der nächste Bundestag wird, hängt also von der Zahl der Überhangmandate und dem Ausgleichsbedarf dafür ab. Da voraussichtlich auch FDP und AfD in den nächsten Bundestag einziehen werden, gibt es dann zwei weitere kleine Fraktionen, die Ausgleichsmandate für die Überhangmandate der großen Fraktionen beanspruchen.

Wahrscheinlich ist, dass die Zahl der Abgeordneten noch einmal moderat steigt. Sie könnte aber auch auf rund 700 Parlamentarier anschwellen.

Es ist wirklich peinlich, dass es den Abgeordneten nicht gelungen ist, die Aufblähung des Parlaments durch das Einziehen einer Obergrenze zu stoppen. Mehr Abgeordnete bedeuten ja auch mehr Kosten für Diäten, Büros und Mitarbeiter. Dabei gewinnt der Bundestag durch die zusätzlichen Abgeordneten nicht an Effizienz. Für die Sache einer angemessenen Wahlrechtsregelung ist die Größe sogar kontraproduktiv: Je mehr Abgeordnete um ihre Pfründen kämpfen, desto schwieriger wird die Reform.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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