Überraschende Erklärung Österreichs Bundeskanzler Faymann tritt zurück

Wien · Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann tritt von allen Ämtern zurück. Das erklärte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei SPÖ am Montag im Bundeskanzleramt in Wien.

 Werner Faymann gibt sein Amt auf.

Werner Faymann gibt sein Amt auf.

Foto: ap

"Ich bedanke mich für siebeneinhalb Jahre und wünsche meinem Nachfolger viel Glück", sagte Faymann dem Portal oe24.at zufolge bei einer eiglig einberufenen Pressekonferenz. "Ich trete zurück weil ich keinen Rückhalt mehr in der Partei habe."

"Dieses Land braucht einen Kanzler, wo die Partei voll hinter ihm steht. Die Regierung braucht einen Neustart mit Kraft. Wer diesen Rückhalt nicht hat, kann diese Aufgabe nicht leisten", sagte Faymann zur Begründung.

Faymann: Österreich habe Flüchtlingsansturm gut gemeistert

Österreich habe nach der schwierigen Phase der Finanzkrise im vergangenen Jahr den Flüchtlingansturm zu bewältigen gehabt, sagte der 56-Jährige. Dies habe Österreich gut gemeistern. Faymann verteidigte erneut das Ende der "Willkommens-Kultur" und die zunehmend restriktivere Flüchtlingspolitik des Landes. "Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Maßnahmen zu setzen."

"Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Land stark genug ist, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen", fügte Faymann hinzu.

Der österreichische Vizekanzler und Parteichef der konservativen Volkspartei ÖVP, Reinhold Mitterlehner, soll interimistisch als Kanzler ernannt werden. Der scheidende Faymann wolle noch am Montag bei Bundespräsident Heinz Fischer offiziell seinen Rücktritt einreichen, sagte Faymanns Pressesprecherin der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Fischer werde der Bitte Faymanns nachkommen und Mitterlehner mit der Fortführung aller Geschäfte beauftragen, hieß es aus dem Büro des Präsidenten.

Triumph der Rechtspopulisten bei Präsidentenwahl

Der Schritt erfolgt rund zwei Wochen nach dem Triumph der Rechtspopulisten bei der Präsidentenwahl in Österreich. Der rechtspopulistische FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl Ende April klar gewonnen.

Die Kandidaten der beiden Volksparteien ÖVP und SPÖ hatten es bei der Abstimmung erstmals seit 1945 nicht in die Stichwahl geschafft. Schon vor einigen Tagen hatte es daraufhin geheißen, dass sich die Sozialdemokraten wegen der Schlappe entschließen könnten, ihren Chef Faymann abzusetzen.

Faymann galt als Überlebenskünstler

Faymann galt als Vorsitzender der SPÖ lange als Überlebenskünstler. Acht Jahre lang war der gebürtige Wiener als Parteiobmann an der Spitze der SPÖ - und das zum Teil heftig umstritten. Der Bundeskanzler habe seiner Partei keinen Stempel aufgedrückt, sondern jeweils den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, warfen ihm zuletzt Parteimitglieder öffentlich vor.

Im Umgang zeigte er sich stets freundlich und umgänglich. Echten Herausforderungen und schwierigen Situationen habe er sich aber kaum gestellt, so seine Kritiker. Nun ist seine Zeit an der Spitze abgelaufen.

Umgeben hat sich der 56-Jährige stets mit langjährigen, äußerst loyalen Vertrauten. Widerworte und andere Meinungen soll er in seinem engen Umfeld nicht geduldet haben. Außerdem wird Faymann nachgesagt, ein besonders enges Verhältnis zu Boulevard-Medien zu haben, bei denen er auch kostspielige Inserate zur Werbung für die SPÖ geschaltet haben soll.

In der Flüchtlingskrise halten Faymann viele vor, von der gemeinsamen "Willkommens-Kultur" mit Deutschland abgerückt zu sein. Die neue, restriktive Linie sollte wohl viele Wähler, die zur rechten FPÖ abgewandert sind, wieder zurückholen.

Denn seit Faymann SPÖ-Chef war, verlor die Partei bei praktisch jeder Wahl Stimmen. Das brachte zuletzt auch die eigene Basis auf die Barrikaden. Große Teile der eigenen Mitglieder buhten den zweifachen Vater bei dem traditionellen Mai-Aufmarsch medienwirksam und lautstark aus. Sie forderten den Rücktritt Faymanns, um die Partei fit für die Zukunft machen zu können.

(jco/dpa/afp)
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