Katalonien-Krise Haftbefehl gegen Puigdemont erst am Freitag erwartet

Madrid · Der Anwalt des entmachteten katalanischen Regierungspräsidenten Carles Puigdemont hat gesagt, es sei bereits ein Haftbefehl gegen seinen Mandanten erlassen worden. Laut Justizkreisen soll dies allerdings erst am Freitag passieren. Puigdemont hält sich momentan in Belgien auf.

 Der entmachtete katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont in einer TV-Ansprache.

Der entmachtete katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont in einer TV-Ansprache.

Foto: rtr, PH/

Die zuständige Richterin Carmen Lamela werde den europäischen Haftbefehl am Freitagvormittag noch ausstellen, sagte ein Justizvertreter in Madrid.

Puigdemonts belgischer Anwalt Paul Bekaert sagte dem flämischen Sender VRT am Donnerstag, Puigdemont habe ihn informiert, dass gegen ihn und vier Minister der abgesetzten katalanischen Regionalregierung, die sich ebenfalls in Belgien befanden, Haftbefehle ausgestellt worden seien. Die Ausstellung des europäischen Haftbefehls bedeute "in der Praxis, dass die spanische Justiz jetzt ein Auslieferungsgesuch an die Generalstaatsanwaltschaft in Brüssel schicken wird", sagte Bekaert.

Puigdemont werde "natürlich" in Belgien bleiben, er habe den belgischen Behörden seine "volle Zusammenarbeit" zugesichert, sagte Bekaert dem Fernsehsender. Sollte dem Auslieferungsantrag stattgegeben werde, werde Puigdemont dagegen in Berufung gehen.

Bekaert sagte der Nachrichtenagentur AP zudem auf die Frage, ob Puigedmont sich nach Erlass eines Haftbefehls stellen werde: "Sicher, oder die Polizei kommt und holt ihn." Die Möglichkeit, Asyl in Belgien zu beantragen, sei "jetzt vom Tisch".

Untersuchungshaft für Ex-Minister angeordnet

Neun Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung folgten am Donnerstag der Vorladung des Madrider Staatsgerichtshofs. Dort legte ihnen Spaniens Generalstaatsanwalt zur Last, unter Missachtung gerichtlicher Auflagen eine "aktive Aufstandsbewegung" entfacht zu haben.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hatte Richterin Lamela am Donnerstag schließlich Untersuchungshaft für acht Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regionalregierung angesetzt, die vor Gericht erschienen waren. Das Gericht begründete den Freiheitsentzug auch mit Fluchtgefahr.

Nur der ehemalige Minister Santi Vila soll gegen Kautionszahlung von 50.000 Euro auf freiem Fuß bleiben dürfen. Er war vor der einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit zurückgetreten.

Der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont und vier seiner Minister ignorierten hingegen die Vorladung, woraufhin die Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen sie beantragte.

Ex-Ministern drohen lange Haftstrafen

Gegen die Politiker wird wegen der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Kataloniens ermittelt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Bei einer Verurteilung drohen ihnen langjährige Haftstrafen.

In Katalonien gingen am Donnerstagabend zehntausende Menschen aus Protest gegen die verhängte Untersuchungshaft auf die Straße. Allein in Barcelona waren es nach Polizeiangaben rund 20.000. Sie skandierten "Befreit politischer Häftlinge" und "Das ist keine Justiz sondern Diktatur".

Puigdemonts katalanischer Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas sprach von einem "schlechten Tag für die Demokratie". Im Kurzbotschaftendienst Twitter schrieb er: "Alle im Gefängnis. Gefühl großer Ungerechtigkeit."

Auch der FC Barcelona hat die Inhaftierung der entmachteten katalanischen Regierung scharf kritisiert. "Der FC Barcelona ist bestürzt von den Inhaftierungen, die vom spanischen Staatsgerichtshof angeordnet wurden und erklärt seine Solidarität mit allen Betroffenen und deren Familien", heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Statement.

"In der außergewöhnlichen aktuellen Situation ruft der FC Barcelona zur Besonnenheit auf und wiederholt seinen Einsatz für Freiheit und demokratische Prinzipien, damit Brücken gebaut werden können, um den Konflikt auf konsensfähige, friedliche und politische Art zu lösen."

Kritik aus Katalonien an Puigdemont

Puigdemont begründete in einer Erklärung sein Fernbleiben von der Madrider Anhörung damit, dass ihm in Madrid ein "politischer Prozess" gemacht werden solle.

Mit seinem Fernbleiben zog er sich Kritik aus Katalonien zu. Der Anwalt von zwei der vorgeladenen Parlamentarier sagte, Puigdemont hätte der Vorladung ebenfalls Folge leisten sollen. Der frühere Regionalabgeordnete Joan Josep Nuet nannte Puigdemonts Vorgehen im Radiosender Catalunya "verantwortungslos".

Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen forderte Puigdemont auf, sich der Justiz stellen. "Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat", die Bürger in Katalonien würden "nicht unterdrückt, sagte Annen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" in der Freitagsausgabe.

Das katalanische Regionalparlament in Barcelona hatte vor einer Woche gegen den massiven Widerstand Madrids die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens ausgerufen. Die spanische Zentralregierung setzte daraufhin die Regionalregierung ab und löste das Regionalparlament auf.

(ate/afp/ap)
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