Wahlanalyse Es gibt viele Sieger im Wahlkreis Wesel I

Wesel · Ein verrückter Wahlabend: Zwar verlieren die Direktkandidaten von CDU und SPD Stimmen im Wahlkreis Wesel I, können doch aus dem Ergebnis auch Zuversicht schöpfen. Der AfD muss nun besondere Aufmerksamkeit gelten. Rechtsextreme bezeichnet AfD-Kandidat Rieger als "Idioten". Was bedeutet das für seine eigene Partei?

Bundestagswahl 2017: Die Kandidaten aus dem Wahlkreis 113 Wesel I
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Bundestagswahl 2017: Die Kandidaten aus dem Wahlkreis 113

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Foto: Klaus Dieker

Die Stunden danach und das große Staunen: Der gestrige Tag ist für die großen Volksparteien SPD und CDU im Wahlkreis Wesel I ein Denkzettel. Bei den Zweitstimmen verlieren CDU und SPD deutlich, die FDP und die AfD hingegen gewinnen stark hinzu. Die Grünen und die Linken bleiben konstant bei sechs Prozent. Was weiß man, wenn man das weiß?

Mit dem Abstand einiger Stunden muss man analysieren, dass es im Wahlkreis I mehrere Gewinner gibt, aber im Grunde keinen richtigen Verlierer. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Sabine Weiss zieht erneut als Direktkandidatin in den Deutschen Bundestag ein. Zum dritten Mal holte sie das Direktmandat. Weiss fährt den Kurs einer bürgernahen Politik. Dafür wurde sie belohnt. Sie lag bei den Erststimmen deutlich besser als das Zweitstimmenergebnis ihrer Partei. Weiss steht für den Merkel-Kurs in der CDU, hat die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin stets verteidigt. Sie steht den Grünen als Koalitionspartner offen gegenüber. Im Wahlkreis Wesel I wurde also eine Bundestagsabgeordnete für eine Merkel-Politik deutlich bestätigt. Man darf gespannt sein, welche Rolle Weiss, die derzeit Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagfraktion ist, in der neuen Regierung spielen wird. Gestern deutete sie an, dass es Veränderungen geben könnte.

Als zweiter großer Gewinner muss Bernd Reuther gelten, FDP-Fraktionschef aus Wesel, der über die Landesliste nach Berlin gehen wird. Bei den Erststimmen liegt er zwar am Ende hinter dem AfD-Mann Renatus Rieger, holte aber sechs Prozentpunkte mehr Erststimmen als bei der Wahl 2013. Starkes Ergebnis!

So schwer die Schlappe für die SPD auf Bundesebene auch ist: Im Wahlkreis Wesel I sind die Zahlen der SPD nicht so schlecht. Knapp unter 30 Prozent liegen die Sozialdemokraten bei den Zweitstimmen. Der Direktkandidat Jürgen Preuß hat es mit einem Kumpel-Wahlkampf versucht und lag mit dem Slogan "Typisch Niederrhein" besser als das Zweitstimmenergebnis seiner Partei. Aber: Er holte rund sechs Prozent weniger Erststimmen als 2013 Hans-Ulrich Krüger.

Als Wahlsieger muss im Wahlkreis auch die AfD gelten. Kandidat Renatus Rieger sagte gestern, dass ihm auch mehrere CDU-Funktionäre von Rang und Namen an Wahlständen gesagt hätten, dass sie ihn wählen würden. Rieger wird bundespolitisch keine Rolle spielen, ist aber Sprecher der AfD im Kreis Wesel. Unsere Redaktion fragte ihn gestern, was er zum Phänomen der rechtsextremen Äußerungen einiger seiner Parteimitglieder sagen würde. "Idioten" nannte Rieger diese, sagte im Nachgang zudem, dass es ein Parteiausschlussverfahren auch im Kreis Wesel gebe. Wenig später dementierte Rieger allerdings, dass es sich um ein Verfahren wegen Rechtsextremismus handele. Rieger wird sich daran messen lassen müssen, wie transparent er hier vorgeht. Man sollte die AfD nicht größer reden, als sie ist: eine 13-Prozent-Partei. Man darf sie aber auch nicht kleiner machen. Rieger muss offenlegen, wer seine Mitstreiter sind und wie weit sie rechts am Rand stehen.

(RP)
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