Nettetal Schweigen hilft nur den Extremisten

Nettetal · In Breyell wurden 22 weitere Stolpersteine auf Initiative Bernd Remmlers und der Gesamtschule verlegt. Die Gedenkfeier fiel auf den Tag, an dem vor 72 Jahren die Deportation nach Riga begann. Jack und Stephen Klaber fanden klare Worte.

 Gunter Demnig arbeitete am Haus Felderend 25 die Stolpersteine ein, vor ihm Fotos von Felix, Max und Hermann Klaber. Rechts im Bild das Ehepaar Jack Klaber, das mit anderen Verwandten nach Breyell gekommen war.

Gunter Demnig arbeitete am Haus Felderend 25 die Stolpersteine ein, vor ihm Fotos von Felix, Max und Hermann Klaber. Rechts im Bild das Ehepaar Jack Klaber, das mit anderen Verwandten nach Breyell gekommen war.

Foto: Busch

In seinem Gedicht "Das Phänomen" schildert Hanns Dieter Hüsch, wie Kinder miteinander umgehen, aber ihre Eltern das Zusammensein unterbinden. Die anderen Kinder unterscheiden sich. Sie sind anders. Roland Schiefelbein, Direktor der Gesamtschule Nettetal, zitierte das Gedicht zum Auftakt einer Gedenkstunde in der Schule. Ihr folgte die Verlegung von 22 weiteren Stolpersteinen in Breyell und Schaag. Doch Schiefelbein wollte nicht erneut zurückblicken, sondern auf das Heute wirken.

Die Steine erinnern an die letzten freiwillig gewählten Wohnhäuser deportierter Juden, die von Nazis ermordet wurden. Der Zufall sorgte dafür, dass die Planungen des Künstlers Gunter Demnig auf den 10. Dezember fielen. Denn am 10. Dezember 1941 begann für die Juden im Rheinland die Deportation nach Riga. Daran erinnerte der Breyeller Bürger Bernd Remmler, der die Aktion organisiert hatte. Sechs Steine lagen zuvor bereits in Breyell. Remmler freute besonders, dass neben Vertretern beider christlichen Kirchen auch Vertreter des Landesverbandes der jüdischen Gemeinde Nordrhein und der muslimischen Gemeinde Nettetal an der Feier teilnahmen.

"Ich bin über die Aktion der Stolpersteine damals in Stuttgart regelrecht gestolpert", sagt Remmler, "als ich zurück nach Breyell gezogen bin hörte ich von der Initiative der Gesamtschule und Vera Gäbler." Nach einem Gespräch mit Gäbler habe er sich entschlossen, die Initiative fortzusetzen. Dabei habe er gemischte Erfahrungen in Breyell gemacht, was das Erinnern angehe. "Das kann man durchaus am Alter fest machen. Ich bin froh, dass die heutige Generation der Schüler sich der Aufgabe angenommen hat."

Aus Israel angereist war erneut Jack Klaber als Nachfahre jüdischer Familien in Breyell. Er fand deutliche Worte. Es müsse nicht immer nur zurückgeblickt werden, um an Diskriminierung und Verfolgung zu erinnern. Das Thema sei auch heute aktuell. Er betonte, dass der "weit verbreitete Antisemitismus" von den Nazis benutzt wurde, um darauf ihren "Volksgeist" und ihre "politische Macht" aufzubauen.

"Dass damit ein ganzes Volk erst diskriminiert und dann vernichtet wurde, war von den Machthabern gewünscht und beabsichtigt — und in der damaligen Gesellschaft völlig akzeptiert", sagte Klaber. Gerade aktuell erstarke der Antisemitismus wieder, dabei helfe "falsche und tendenziöse Berichterstattung und politische Manipulation in verschiedenen Medien" und Institutionen, auch über Israel. Daher sei es wichtig, dass gerade die Jugend sich heute erinnere und neue Gedenkstätten errichte. Nur so habe eine "solche Beeinflussung keinen Erfolg", erklärte Klaber. So würden auch die 22 neuen Stolpersteine an ein "lebendiges Leben" erinnern und "gleichzeitig vor Fremdenhass und Antisemitismus warnen."

Neben Jack Klaber, der mit seiner Frau angereist war, nahm sein Vetter Stephen Klaber, Sohn von Max Klaber, an der Gedenkfeier teil. Er lebt in Chicago und berichtete den Anwesenden auf Englisch, dass sein den Nazis entkommener Vater nicht die besten Erinnerungen an seinen Heimatort hatte. So berichtete er von Diskriminierung, die Max Klaber erlebt habe.

Gleichzeitig aber betonte Stephen Klaber, das sein Vater wohl "stolz darüber wäre", was nun durch die Schüler in Breyell passiert sei. Generell werde in Deutschland viel getan, um sich an Geschichte zu erinnern. Mit einem Appell endete seine Ansprache. "Schweigen ist das wichtigste Hilfsmittel der Extremisten, deshalb müssen alle ihre Stimme erheben, um auf Unrecht aufmerksam zu machen. Nur so wird die Welt ein besserer Ort gegen Diskriminierung."

(RP)
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