Nettetal Europa muss in Nettetal ankommen

Nettetal · Die Stadt befindet sich seit mehr als zwanzig Jahren in einer fatalen Randlage an der Grenze. Düsseldorf und Berlin kümmern sich um solche Regionen nicht. Darum ist die Europawahl im Mai so wichtig für Nettetal.

 Die Verbindung zwischen Kaldenkirchen und Leuth und dem Osten Venlos ist da – nun muss mehr unternommen werden, um fernverkehrs- und pendlerfreundliche Verbindungen auf der Schiene voranzutreiben.

Die Verbindung zwischen Kaldenkirchen und Leuth und dem Osten Venlos ist da – nun muss mehr unternommen werden, um fernverkehrs- und pendlerfreundliche Verbindungen auf der Schiene voranzutreiben.

Foto: Busch

Die Stadt Nettetal befindet sich in einem Randgebiet. Hier enden Bus- und Bahnverbindungen. Die Stadt kann sich nur im Halbkreis entwickeln. Vor 21 Jahren wurden zwar die Schlagbäume an der A 61 abgeräumt, sogar Fernsehsender berichteten damals darüber. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt seither immer noch an einer Grenze liegt, die ihre Entwicklungschancen erheblich einengt.

Wichtiger noch als die Kommunalwahlen im Mai dieses Jahres wird für Nettetal die am selben Tag stattfindende Wahl zum Europäischen Parlament sein. Weder der Bund noch das Land haben in den vergangenen Jahren auch nur ansatzweise Anstrengungen unternommen, daran etwas zu ändern. Nun wird sich niemand der Illusion hergeben, dass die Nettetaler Bürger mit ihren Stimmen Einfluss auf die Politik in Brüssel und Straßburg ausüben werden. Es gilt vielmehr, den heraufziehenden Wahlkampf zu nutzen und sich Gehör zu verschaffen.

Es gibt in Europa Programme für Regionen in äußerster Randlage. Gefördert werden damit allerdings nur weit entfernte ehemalige Kolonien Frankreichs, Spaniens und Portugal in Amerika, Asien und Afrika. Mit der Erweiterung der EU auf mittlerweile 28 Mitgliedstaaten haben innereuropäische Förderprogramme nicht mehr Schritt gehalten.

In den vergangenen Jahren haben die Bürgermeister von Nettetal und Venlo aus der Not eine Tugend gemacht. Sie haben in eigener Initiative nach gemeinsamen Interessen gesucht. Das beste Beispiel dafür ist die Aufrüstung Nettetals mit niederländischer Hilfe mit dem schnellen Internet. Nicht die Tatsache, dass sich hier ein niederländisches Unternehmen engagiert und Gewerbegebiete erschließt, bringt Nettetal einen großen Schritt nach vorne. Die bisher an Nettetal überhaupt nicht interessierte Telekom wurde wachgerüttelt. Sie bringt nun das schnelle Internet in die Stadtteile mit der Vorwahlnummer 02153.

Dies ist ein Beispiel dafür, wie wenig sich Politik und Wirtschaft für Randlagen der Bundesrepublik interessieren. Limburgs Gouverneur Theo Bovens hat das unlängst mit der Vorstellung des "Chancenatlas" eindrucksvoll nachgewiesen.

Beidseits der Grenze werden wertvolle Potenziale sträflich vernachlässigt: Arbeitsplätze, Entwicklung von Gewerbe und Industrie, Infrastruktur, Bildung, Tourismus, Kultur und auch der Einzelhandel. Die Fertigstellung der neuen Autobahn 61 und die Verbindungsspange zwischen Kaldenkirchen/Leuth und dem Osten von Venlo beginnen erst jetzt ihre Wirkung zu entfalten. Umso mehr muss unternommen werden, Fernverkehrs- und pendlerfreundliche Verbindungen auf der Schiene voranzutreiben. Nicht die Nettetaler allein sollen mobiler werden, die Stadt muss aus beiden Richtungen besser erreicht werden. Dazu gehören möglicherweise auch endlich Busverbindungen. In den kommenden Jahren werden im Großraum Venlo bis zu 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Vergreisung von Nordlimburg ist weiter fortgeschritten als im Kreis Viersen.

Die Politik ist gefordert, endlich alle Nachteile und bürokratischen Hemmnisse abzubauen, die deutschen Arbeitnehmern drohen, die einen niederländischen Arbeitsplatz anstreben. Umgekehrt müssen diese Hemmnisse aber auch für investitionsbereite niederländische Unternehmen beseitigt werden. Arbeiten in einem niederländischen Unternehmen hatte kurioserweise bis 1993 im Grenzraum große Tradition. Ausgerechnet als die Schlagbäume fielen und in der Folge das Speditionsgewerbe zusammenbrach, gingen diese Strukturen weitgehend verloren.

Wer in Nettetal eine Europawahl gewinnen will, dem muss deutlich gemacht werden, dass Deutschland zwar geografisch das Herz der EU ist, aber an den Rändern eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert werden muss. Sie wird nicht vor Nettetal, Brüggen und Niederkrüchten halt machen, sondern sich auf weitere Herzkranzgefäße ausweiten: Grefrath, Viersen und auch Willich, weil die Metropolregionen des Landes übermäßig gefördert werden.

Grenzregionen dienen als Hinterhöfe, manchmal auch als Vorgärten, wenn sie landschaftlich hübsch sind. Nettetals Bürger sollten vor der Europawahl im Mai den Parteien und ihren Kandidaten in dieser Hinsicht gehörig auf den Zahn fühlen. Dazu gehört, nicht bloße Versprechungen, sondern Garantien einzufordern. Sonst wird sich Nettetals junge Generation von der Randlage weg- und in die Metropolen bewegen. Das sind keine guten Perspektiven für 2014.

(RP)
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