Digitalmesse SXSW Echtzeit und Emotionen sind digitale Treiber

Austin · Die "South by Southwest" in Texas ist das größte Digital-Festival der Welt. Mehr als 30.000 Besucher aus 80 Ländern wagten in rund 1000 Veranstaltungen einen Blick in die digitale Zukunft. Ein Rückblick.

 Das AeroMobil ist eine Mischung aus Flugzeug und Auto.

Das AeroMobil ist eine Mischung aus Flugzeug und Auto.

Foto: dpa

Selbst fliegende Autos, Bildschirme auf der Haut, ein Streichelzoo für Roboter und Insekten, die sich per App fernsteuern lassen: Wenn alljährlich im März in der texanischen Hauptstadt Austin die "South by Southwest Interactive" (SXSW) beginnt, spielt die Digital-Szene verrückt. Wir haben uns vor Ort umgesehen und ein paar Trends beobachtet.

Echtzeit-Video Viel diskutiert wurde die Video-App Meerkat (englisch für Erdmännchen). Mit einem Klick starten Nutzer einen Video-Stream vom Smartphone aus und senden live an alle Freunde, die zu diesem Zeitpunkt im Kurznachrichtendienst Twitter angemeldet sind. Die App zeigt dem Filmenden, wer gerade zuschaut. So entsteht eine Echtzeit-Kommunikation zwischen Zuschauer und "Regisseur".

Ein Modell, das auch viele junge Nutzer der umstrittenen Video-Plattform YouNow fasziniert. Das Live-Video verdrängt in den USA längst das herkömmliche Telefonat — das ist auch in Austin auf den Straßen zu sehen. In Deutschland ist die intensive Nutzung dieses Videodienstes wegen der begrenzten Datenvolumen bei Smartphone-Tarifen derzeit noch undenkbar.

 Ulrika Langer, Michael Bröcker und Daniel Fiene berichteten für uns von der SXSW.

Ulrika Langer, Michael Bröcker und Daniel Fiene berichteten für uns von der SXSW.

Foto: RP/Radowski

Eine neue Gründerzeit Start-up-Firmen prägten das Programm. Dabei schaffte ein deutsches Unternehmen etwas, was bisher noch nie gelang: Die Hamburger Firma Sonormed gewann gegen internationale Konkurrenz den Innovations-Preis der Konferenz. Mit Tinnitracks haben die Gründer Jörg Land, Adrian Nötzel und Matthias Land eine App entwickelt, die Tinnitus lindert, indem die betroffenen Frequenztöne automatisch aus der gesamten Musikbibliothek herausgefiltert werden.

Insgesamt waren nur etwa zwei Dutzend deutsche Gründer nach Texas gereist, um ihre Produkte vorzustellen. Die Dominanz der US-Szene ist groß. Der größte Unterschied sei, dass es in Deutschland gerade die erste Generation Start-ups gebe, sagt der Münchner Digitalberater Curt Simon Harlinghausen, während "in den USA bereits die zweite Generation existiert und von der ersten Generation wie Google oder Facebook gekauft wird".

Emotionen als Treiber Internet-Firmen wollen wissen, wie die so genannten Millennials ticken, die 15- bis 25-Jährigen. Dabei sind sich die Experten einig, dass diese Generation nur erreicht, wer in ihre Gefühlswelt eindringt, ihre Bedürfnisse kennt und ihr digitales Verhalten genau studiert. Ein wichtiges Merkmal ist die "Instant Gratification", die Sofort-Selbstbestätigung im Netz.

Der Mensch will geliebt werden. Wie viele Freunde haben mein Foto mit "Gefällt mir" bewertet? Wer folgt mir auf Twitter? Unternehmen, die dieses Verhalten bedienen, haben die besten Chancen. Facebook etwa. Allein 20 Millionen Deutsche überprüfen täglich ihren "Status" in dem sozialen Netzwerk.

Politik, NSA und die Terrorgefahr Politische Gastredner gehören zum Selbstverständnis der Konferenz. Ex-US-Vizepräsident Al Gore warnte vor 1000 Zuschauern vor den Folgen der Klimaerwärmung. US-Senator Rand Paul präsentierte sich als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner besonders liberal und kritisierte den in der Tech-Szene verhassten US-Nachrichtendienst NSA.

Der US-Whistleblower Edward Snowden hatte nach den Enthüllungen über die Massenüberwachung der Behörde sein erstes Interview für das US-Publikum 2014 (per Video) auf der SXSW gegeben. Wohl auch deshalb kündigte Google-Chef Eric Schmidt in Austin an, dass Google die Angebote künftig besser verschlüsseln wolle.

Selbst fliegen? Googles Ideen für das selbst fahrende Auto waren in Austin schon 2014 Thema. Dieses Jahr sorgte eine slowakische Firma mit ihrem Prototyp für das selbst fliegende Auto für Gesprächsstoff. Das Hybrid-Auto "AeroMobil" braucht nur 200 Meter, um abzuheben und zum Flugzeug zu mutieren. "Wir werden den Personenverkehr verändern", sagt Gründer Juraj Vaculik.

Spezieller, lokaler — neue Netzwerke Facebook geht auch kleiner. Und spezieller. Die Netzwerke für Berufsgruppen boomen. Die Lehrerplattform "Edmodo" knackt die Zehn-Millionen-Mitglieder-Marke. Ärzte treffen sich im weltgrößten Doktors-Club Doximity. In Deutschland sind solche geschlossenen Berufsnetzwerke noch nicht sehr ausgeprägt — ein neuer Markt?

Die Mikro-Einheit menschlichen Zusammenlebens hat die App "NextDoor" im Visier, die Nachbarschaft. Dort tauschen sich etwa Anwohner eines bestimmten Straßenzugs über Rezepte, Babysitter oder Tipps gegen Einbrüche aus. So rücken die lieben Nachbarn noch enger zusammen. Ob dies in Deutschland funktionieren würde?

(brö)
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