Leverkusen Xarelto lässt Bayer-Aktie abstürzen

Leverkusen · Die Behörden prüfen Fehler in einer für die Zulassung nötigen Studie. Die Auswirkungen sind noch nicht absehbar.

Ihre Namen klingen nach denen kampfgestählter Helden aus einem Fantasy-Film: Xarelto, Eylea, Adempas, Stivarga und Xofigo. Und in gewisser Weise sind die fünf ja sogar diejenigen, die in der Schlacht bestehen müssen - der auf dem Pharmamarkt. Für Bayer sind die Medikamente die größten Hoffnungsträger. Allein mit Xarelto machte der Chemie- und Pharmakonzern im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden Euro Umsatz.

Doch nun ist ausgerechnet dieses Mittel ins Visier der Arzneimittelbehörden geraten: Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigte gestern eine Prüfung durch die europäische Zulassungsbehörde EMA. Dabei gehe es darum, ob es bei einer 2010 abgeschlossenen Zulassungsstudie für Xarelto zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Zuvor hatte das "Handelsblatt" über Prüfungen in Europa und den USA berichtet.

Durch den Blutgerinnungshemmer sollen sich Schlaganfälle verhindern lassen. Für Patienten gab es dafür lange Zeit nur das Medikament Marcumar, dann kam Xarelto. Damit sollten sich Herzinfarkte oder Schlaganfälle deutlich leichter verhindern lassen. Und weil das Medikament ohne regelmäßige Bluttests verschrieben werden kann, wird es von Ärzten - ebenso wie ähnliche Konkurrenzprodukte -auch gerne verordnet.

Für Bayer ist das enorm wichtig. Im forschungsintensiven und damit teuren Pharmageschäft sind die ersten Jahre, nachdem ein Medikament auf den Markt gekommen ist, besonders wichtig, um die oft hohen Kosten wieder einzuspielen. Xarelto schien die Hoffnungen zu erfüllen, wurde in mehr als 130 Ländern zugelassen, die Zahlen waren mehr als gut. Alles schien nach Plan zu laufen - fast alles.

Denn zunächst wurde 2013 bekannt, dass immer mehr Patienten Probleme mit Xarelto meldeten - doch am Erfolg des Medikaments änderte dies zunächst nichts. Das Problem: Es gibt kein Gegenmittel, falls es zu unerwarteten Blutungen kommt. Im Mai 2014 beklagte daher der Bremer Versorgungsforscher Gerd Glaeseke den starken Anstieg der Verordnungen des Mittels - obwohl die Risiken hoch seien. So sei der Umsatz für das Medikament mit dem Wirkstoff Rivaroxaban innerhalb eines Jahres um rund 200 Prozent gestiegen. "Die Todesfälle nehmen zu", so Glaeseke damals. In den USA haben Patienten den Pharmakonzern inzwischen sogar wegen vermeintlicher Gesundheitsschäden verklagt.

Bayer hatte die Vorwürfe in der Vergangenheit stets bestritten. Studien bewiesen, dass Xarelto für Patienten mit einem Risiko für folgenschwere Blutgerinnsel "einen wirksamen und verträglichen Schutz" biete, so der Konzern.

Doch nun sorgen die neuen Vorwürfe für Ärger. Bei Tests von Patienten soll demnach in der Vergleichsgruppe offenbar ein defektes Gerät zur Bestimmung von Blutgerinnungswerten eingesetzt worden sein. Das Verfahren liege in den Händen der europäischen Zulassungsbehörde EMA, erklärte das BfArm. Dort war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Bayer erklärte, man sei über den Vorgang informiert und arbeite eng mit den Gesundheitsbehörden zusammen, um mögliche Fragen zu klären. Weitere Studien hätten jedoch das Ergebnis der Zulassungsstudie bestätigt. "Mehr als 91.000 Patienten wurden in Studien zum Einsatz im klinischen Alltag nach der Zulassung analysiert", heißt es.

An der Börse sorgte die Nachricht dennoch für Aufregung. Die Aktien rutschten gestern in der Spitze um fünf Prozent ab und waren mit 110,25 Euro so billig wie seit fast sieben Wochen nicht mehr. Auch nach der Talfahrt erholten sie sich nur leicht, das Minus im Tagesverlauf blieb. Im Dax waren die Papiere der mit Abstand schwächste Wert. Analysten sehen das Verfahren allerdings (noch) gelassen. Das Ergebnis der Untersuchung sei nur schwer vorherzusehen, so Equinet-Analystin Marietta Miemietz: "Wir sehen allerdings nur eine geringe Chance, dass Xarelto einen schweren Imageschaden erleiden könnte."

(frin)
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