Kolumne: Die Ökonomin Wie arm sind Rentner in Deutschland?

Jeder siebte Senior gilt als arm. Sozialverbände fordern höhere Renten. Dabei leidet Deutschland nicht an Altersarmut, sondern an den Tücken der Armutsstatistik.

Kolumne: Die Ökonomin: Wie arm sind Rentner in Deutschland?
Foto: Phil Ninh

Für Sozialverbände ist die Sache klar: Die soziale Spaltung der Gesellschaft nimmt zu, die Altersarmut wächst. Und es gibt seriöse Zahlen, die diese These zu untermauern scheinen: Laut Statistischem Bundesamt ist der Anteil der über 64-Jährigen, die armutsgefährdet sind, von 11 Prozent in 2005 auf gut 14 Prozent gestiegen. Damit ist jeder siebte Rentner armutsgefährdet. Ein Skandal? Gemach.

Tatsächlich müssen Frauen, die wenig sozialversicherungspflichtig gearbeitet und nur die gesetzliche Rente oder Witwenrente haben, mit wenig auskommen. Dennoch haben wir kein generelles Problem mit der Altersarmut. Stattdessen zeigen sich hier die Tücken der Armutsstatistik. Die ihr zugrunde liegende Armutsgefährdungsquote misst, wie viele Menschen weniger als 60 Prozent des mittleren Pro-Kopf-Einkommens (des so genannten Median-Einkommens) erhalten. Steigt das Median-Einkommen, etwa weil die Löhne kräftig steigen, fallen mehr Rentner unter die 60-Prozent-Grenze, obwohl sich bei ihnen nichts geändert hat und sie sich so viel leisten können wie bisher. Ihre neue Armut ist nur relativ.

Zugleich lässt die Einkommensstatistik völlig die Vermögenslage außen vor. Dabei können Menschen durchaus arm an Einkommen, aber reich an Vermögen sein. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet anhand von Zahlen des sozio-oekonomischen Panels vor, dass die Hälfte der 64-Jährigen heute ein Nettovermögen von mehr als 55.000 Euro hat, ein Drittel sogar mehr als 120 000 Euro. Damit lässt sich der Ruhestand durchaus gut gestalten. Berücksichtigt man Einkommen und Vermögen, liegt die Armutsquote der Älteren laut IW auch nur noch bei neun Prozent. Es gibt also keinen Grund, jetzt zu einem Nachschlag bei den Renten auszuholen.

Die wahren Armen von heute sind Alleinerziehende und Geringqualifizierte, die aus verschiedenen Gründen nicht arbeiten (können). Altersarmut wird wegen der Schrumpfung der Gesellschaft und mangelnder Vorsorge erst in der Zukunft ein großes Problem.

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(RP)
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