Kolumne: Die Ökonomin Kann denn Export Sünde sein?

Deutschland löst das riesige China als Land mit dem größten Leistungsbilanz-Überschuss ab. Doch der Vorwurf, wir bauten Wohlstand zu Lasten anderer Länder auf, ist falsch.

Die Nachricht war Wasser auf die Mühlen von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB): Deutschland verkauft immer mehr Waren in die Welt und wird bis Jahresende China als Land mit dem größten Leistungsbilanz-Überschuss überholen. Das erwarten die Forscher des Ifo und rechnen mit einem Überschuss von 310 Milliarden Dollar, gefolgt von China (260 Milliarden) und Japan (170 Milliarden). Draghi forderte Berlin umgehend auf, was dagegen zu tun: "Geringere Überschüsse wären willkommen."

Die Leistungsbilanz ist das Arbeitsbuch einer Volkswirtschaft. Sie umfasst den Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland sowie Transfers (wie Entwicklungshilfe). Der deutsche Überschuss resultiert vor allem aus den starken Warenexporten - Autos, Maschinen und Kunststoffe made in Germany sind gefragt wie nie. Das passt Draghi nicht: Denn Überschüsse in der Leistungsbilanz gehen mit Überschüssen in der Kapitalbilanz einher - das Ausland verschuldet sich bei Deutschland, um dessen Waren bezahlen zu können. Draghi fordert, dass Deutschland selbst mehr Waren importiert und zwar so: "Länder, die finanziellen Spielraum haben, sollten ihn nutzen." Soll heißen: Statt die schwarzen Null im Haushalt zu verteidigen sollte Finanzminister Wolfgang Schäuble die Binnennachfrage anheizen - also mehr Straßen bauen oder Abwrackprämien für Kühlschränke fördern.

Schäuble wies den schwarzen Peter zurück - und das mit gutem Grund. Schließlich befeuert die EZB selbst die Exporte: Mit ihrer lockeren Geldpolitik hat sie gezielt den Euro geschwächt, was gerade den deutschen Exporteuren half.

Absurd ist das Dogma der EU, wonach ein Überschuss von mehr als sechs Prozent des Inlandsprodukts stabilitätsgefährdend sei. (Deutschland liegt bei acht Prozent.) Erstens sind wir keine Planwirtschaft, in der der Staat die Höhe der Exporte vorschreibt. Zweitens sind Exporte keine Sünde, sondern Ausweis einer leistungsfähigen Volkswirtschaft. Das beste Mittel gegen Ungleichgewichte sind bessere Wachstumsbedingungen im Ausland.

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(RP)
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