Kolumne: Die Ökonomin Die Ökonomie der Organspende

Jeden Tag sterben Menschen, weil es nicht genug Spender gibt. Das ließe sich ändern, wenn man Ergebnisse der Verhaltensökonomie nutzt und eine neue Verteilregel einführt.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat es getan und der frühere Gewerkschaftschef Michael Sommer auch: Sie spendeten jeweils ihrer schwer kranken Frau eine Niere. Doch sie sind Ausnahmen. Die Bereitschaft zur Organspende ist in Deutschland gering. 2015 kamen elf Spender auf eine Million Einwohner, so die Stiftung Organtransplantation. Zum Vergleich: In Frankreich und Spanien sind es mehr als doppelt so viele. Entsprechend groß ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage: Den 877 Spendern, die 2015 ein Organ gestiftet haben, standen 10.200 Kranke gegenüber, die auf ein neues Organ (meist eine Niere) warten.

Skepsis, Desinteresse und Skandale um manipulierte Wartelisten dürften die Gründe für die Zurückhaltung sein. Zudem lässt nur ein Viertel der Menschen, die grundsätzlich spendenbereit sind, den Worten auch Taten folgen und sich einen Spenderausweis ausstellen.

Das ließe sich ändern, wenn man die Regeln ändert. So könnte der Staat die geltende Zustimmungsregel in eine Widerspruchsregel umwandeln: Dann erklärt man nicht aktiv, dass man spenden wird, sondern muss aktiv erklären, wenn man nicht spenden will. Österreich hält es so, doch die deutsche Politik lehnt dies als Bevormundung ab. Alternativ könnte sie eine Priorisierungsregel einführen: Danach werden spendenbereite Bürger belohnt, indem sie, falls sie selbst erkranken, Extrapunkte erhalten und auf der Warteliste vorrücken. In einem Laborexperiment, in dem Entscheidungssituationen simuliert wurden, hat das Institut für Wettbewerbsökonomie an der Uni Düsseldorf nun ermittelt, dass eine Priorisierungsregel die Spendenbereitschaft um fast ein Drittel erhöhen würde.

Unethisch? Nein. Natürlich soll weiter jeder für sich entscheiden, ob er spenden will. Doch die Verhaltensökonomie, zu der die Düsseldorfer forschen, zeigt, auf welche Anreize Menschen reagieren. Das sollte die Politik im Interesse der Kranken nutzen. Andere Länder wie Israel gehen bereits diesen Weg.

Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de,

(RP)
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