Kolumne: Die Ökonomin Darf das Volk über Ökonomie abstimmen?

Euro-Einführung, Griechenland-Rettung, EU-Austritt - solche Fragen darf man nicht dem Volk überlassen. Die repräsentative Demokratie kennt bessere Wege.

Das Erwachen kam zu spät: Erst am Tag nach dem Referendum wurde vielen Briten klar, was ein Ausstieg aus der EU bedeutet. Nun beginnt das Gift des Brexits zu wirken: Die ersten Banken wollen London verlassen, Unternehmen wie Vodafone und Easyjet prüfen die Verlegung ihrer Zentralen. Auch auf dem Kontinent steigt die Nervosität: Wegen der labilen Finanzmärkte könnte Bayer nicht genug Geld zusammenbekommen, um eine Fusion mit Monsanto zu stemmen. Bei RWE und Eon wächst die Sorge, ob man Innogy und Uniper heil an die Börse bekommt.

Die britische Elite hat versagt. Sie hätte eine so vielschichtige Frage wie den EU-Austritt niemals per Volksentscheid beantworten lassen dürfen. David Cameron hätte es wissen müssen, Griechenland hat es genau vor einem Jahr vorgemacht. Dort hatte Alexis Tsipras ein ökonomisch wie politisch komplexes Problem auf die simple Frage reduziert: Seid ihr für oder gegen die Sparpolitik, die die Geldgeber für neue Milliarden-Hilfe verlangt? Die Griechen stimmten zu 61 Prozent für "oxi" (nein). Doch am Ende blieb Tsipras in der dramatischen Nacht zum 13. Juli nichts übrig, als die Reformen doch zu akzeptieren. Er hatte das Referendum einfach ignoriert.

Theoretisch könnte die britische Regierung das auch tun, doch das ist im Mutterland der Demokratie undenkbar. Wer das Volk fragt, muss dessen Votum akzeptieren. Wer ihm die Entscheidung nicht zutraut oder fürchtet, dass es über alles Mögliche (Denkzettel, Stimmung) abstimmt, sollte es nicht entscheiden lassen.

Umso erstaunlicher, dass die Grünen seit langem bundesweite Volksentscheide fordern. Was glauben sie, wie die Deutschen entscheiden, wenn man fragt: Wollt ihr die Todesstrafe einführen? Wollt ihr die Mark zurück? Helmut Kohl wusste genau, warum er die Einführung des Euro (die für ihn eine historische und keine ökonomische Schicksalsfrage war) nicht in die Hände des Volkes legte. Lasst das mal schön das Parlament entscheiden. Wenn es sich irrt, wählt das Volk bei der nächsten Wahl ein neues. Das ist der Charme der repräsentativen Demokratie.

Fragen? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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