Kolumne: Die Ökonomin BMW und die Nadeln von Adam Smith

Keine Branche setzt so auf Arbeitsteilung wie die Autoindustrie. Das macht Fahrzeuge günstiger, hat aber seinen Preis: Lieferketten werden anfällig, die Macht der Zulieferer wächst.

Tagelang bangte BMW um die Produktion seiner 1er bis 4er. Der Zulieferer Bosch konnte nicht genug Lenkgetriebe liefern, da dessen Zulieferer wiederum mit Gussteilen nicht nachkam. Vor einem Jahr hatte VW Streit mit Zulieferer Prevent, Getriebeteile und Sitzbezüge blieben aus. Viele Mitarbeiter gingen in Kurzarbeit. Beide Vorfälle zeigen, wie anfällig die Lieferketten in der Autoindustrie sind. Doch ein Zurück gibt es nicht mehr.

Das Prinzip der Arbeitsteilung hat die Volkswirtschaften reich gemacht. Das hat schon Adam Smith im "Wohlstand der Nationen" (1776) beschrieben. Er machte an dem berühmten Nadel-Beispiel deutlich, wie Arbeitsteilung die Produktivität steigert: Ein einzelner Arbeiter könne täglich höchstens eine Nadel herstellen. Durch Aufteilung auf 18 Produktionsschritte könnten dagegen zehn Arbeiter am Tag 48.000 Nadeln fertigen. Daher ist für Smith alles gut, was die Arbeitsteilung fördert - insbesondere der Freihandel.

Heute würde Smith die Autoindustrie bewundern, keine Branche hat die Fertigungstiefe so eifrig gesenkt. 1980 entstand ein Auto noch zu 37 Prozent in den Fabriken des Konzerns, der auch das Logo aufklebte, wie das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte. Heute sind es nur noch 20 Prozent. 80 Prozent stammen von Zulieferern und ihren Zulieferern. Und weil spätestens seit VW-Einkäufer Lopez Lager als Kostentreiber gelten, verbindet sich mit der Arbeitsteilung auch eine ausgefeilte Logistik. Zulieferer müssen "just in time" anliefern, mehrmals täglich, und "just in sequence", in exakter Reihenfolge vorsortiert. Schon kleine Störungen können konzernweit für Ausfälle sorgen.

Mit der Arbeitsteilung wächst die Macht einiger Zulieferer, vorbei sind die Zeiten, als VW und Co. allen die Bedingungen diktieren konnten. Mit dem Durchbruch autonom fahrender Autos und ihren vielen elektronischen Teilen wird ihr Einfluss weiter zunehmen. Das hat nichts mit bösem Kapitalismus zu tun, sondern mit technischem Fortschritt und den Kunden. Ein Auto, das nach der Formel der 80er Jahre gebaut würde, würde heute keiner mehr bezahlen.

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(RP)
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