Kolumne: Der Ökonom Warum die Menschen zu wenig vorsorgen

Für Ökonomen sind Wirtschaftsakteure Personen, die ihr Einkommen über den ganzen Lebenszyklus hin optimieren. Das entspricht aber leider nicht der Realität.

Landauf, landab beklagen Politiker, Versicherungsmanager und Anlageberater, dass die meisten Arbeitnehmer nicht genügend für das Alter vorsorgen. Die Deutsche Rentenversicherung gibt zwar in jährlichen Mitteilungen an, wie viel die betroffenen Personen im Alter an Rente zu erwarten haben. Und findige Verkäufer von Lebenspolicen rechnen dann genau aus, wie viel fehlt, um mindestens 80 Prozent des letzten Nettogehalts im Alter zu erhalten. Doch regelmäßig stellt das Arbeitsministerium fest, dass nur wenige Menschen die Vorsorgelücke wirklich schließen.

Sorgen also die Menschen tatsächlich zu wenig für das Alter vor? Die Einkommenszyklushypothese des amerikanischen Nobelpreisträgers Franco Modigliani besagt, dass ein Ehepaar etwa zu Beginn des gemeinsamen Lebens sich verschuldet, um Ausbildung und Eigenheim zu finanzieren. Das wird dann zurückgezahlt. Gleichzeitig spart der Haushalt für das Alter an. Eine Lücke könnte so nicht entstehen. Alternde Gesellschaften würden eher sparen, jüngere sich verschulden.

Arbeitnehmer, die diesem Modell nicht entsprechen, haben eine zu hohe Gegenwartspräferenz. Sie bewerten ihren aktuellen Konsum viel höher als den künftigen. Tatsächlich setzt Sparen fürs Alter eine lange Planungsperiode voraus. Niedrige Zinsen und Risiken schrecken viele ab, Geld auf die hohe Kante zu legen. Da ist es sicherer, ins eigene Heim zu investieren und sich auf die Sozial- und Betriebsrente zu verlassen. Und weil Menschen bei Veränderungen der Rahmenbedingungen - etwa geringere Sozialrente oder Unwägbarkeiten der Altersvorsorge - Zeit benötigen, können sie tatsächlich in die Altersfalle laufen.

Wie ist dem zu begegnen? Tatsächlich sollte der Staat vorsichtig eingreifen und die Haushalte dazu anhalten, einen Teil ihres Einkommens für die Altersvorsorge zu verwenden. Er kann es noch stärker fördern oder gar zur Pflicht machen. Über die Anlage sollte der Haushalt allerdings selbst entscheiden.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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