Kolumne: Der Ökonom IG Metall nimmt Arbeitgeber in Sozialpflicht

Die Tarifforderung der IG Metall ist innovativ, aber sie bürdet den Firmen eine Sozialpolitik auf, die gesamtstaatliche Aufgabe ist. Die Chemie-Gewerkschaft macht es besser.

Die gute Wirtschaftslage in Deutschland ist zu einem guten Teil auch den Gewerkschaften zu verdanken. Ihre maßvollen und flexiblen Tarifabschlüsse ermöglichten es deutschen Unternehmen, auf die Herausforderungen der Weltmärkte zu reagieren, ohne dass die Beschäftigten erheblich darunter zu leiden hatten. Die Klassenkämpfe in Frankreich und Italien trugen zum wirtschaftlichen Verfall der beiden Länder bei.

Jetzt überraschte die IG Metall mit einer Tarifforderung, die zwar innovativ ist und Wünschen der Beschäftigten Rechnung trägt, aber viele, vor allem kleinere Unternehmen vor fast unlösbare Aufgaben stellt. Die Gewerkschaft will die Arbeitszeit auf 28 Stunden reduzieren, zugleich aber sechs Prozent mehr Lohn erkämpfen. Zunächst ist es zu begrüßen, dass Gewerkschaften nicht nur auf mehr Lohn drängen und so die Produktivitätspeitsche schwingen, die mitunter die Arbeit stressiger macht. Offenbar ist es der Wille vieler Beschäftigter, zwischen Arbeit und Familie besser aufzuteilen - selbst bei finanziellen Einbußen.

Dann folgt jedoch der Denkfehler der IG Metall. Sie bürdet den Arbeitgebern die sozialen Kosten für diese Wahlfreiheit auf. Denn Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Familienangehörige und Eltern sollen einen teilweisen Lohnausgleich erhalten, wenn sie die Arbeitszeit reduzieren - aus sozialen Gründen. Hier macht die IG Metall die Unternehmen zu Trägern der Sozialpolitik, was nicht ihre Aufgabe ist. Schon gar nicht, wenn sie dazu gezwungen werden. Solche Gruppen müsste der Staat unterstützen, wenn die Allgemeinheit - aus durchaus nachvollziehbaren Gründen - eine solche Haltung belohnen will.

Die IG Bergbau Chemie Energie geht einen anderen Weg. Sie vereinbarte mit den Arbeitgebern Beschäftigungskorridore rund um die 37,5-Stunden-Woche. Da können Arbeitnehmer in Abstimmung mit ihren Firmen die Zeit für Pflege und Familie selbst bestimmen und später die Arbeit nachholen.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort