Kolumne: Der Ökonom London könnte Finanzhauptstadt bleiben

Nicht nur die Nähe zum europäischen Markt bestimmt die Stellung der Finanzmetropole London. Sie bietet auch Produkte an, die andere Finanzplätze nicht haben.

Mit New York, Paris und Tokio gehört London nach wie vor zu den vier wichtigsten Metropolen der Welt. Laut einigen Studien ist die britische Hauptstadt sogar die Nummer eins der Finanzwelt. Nach dem Brexit, dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union, fürchten nun viele Insel-Ökonomen und Politiker, dass die Finanzmetropole schweren Zeiten entgegengeht.

Das muss nicht sein, meint die Metropolen-Forscherin und Soziologin Saskia Sassen aus New York. Denn es sind nicht so sehr die Bankenzentralen, die einen Finanzplatz bestimmen, sondern eher die Spezialprodukte und hochprofessionellen Dienstleistungen. Die London-Pessimisten befürchten, dass Großbritannien den Finanz-Pass für die EU verliert. Große Banken können danach nicht mehr ungehindert Kredite und andere Finanzprodukte in die Mitgliedsstaaten verkaufen.

Tatsächlich hat sich in London eine ganze Branche darauf spezialisiert, hochkomplexe Lösungen bei finanziellen Vorprodukten anzubieten. Wenn etwa ein Investor rechtliche und finanzielle Hilfe für ein Engagement in der Mongolei benötigt, findet er das eher in London bei einer spezialisierten Firma als dass er selbst mongolische Fachleute einstellt. Darauf beruht zu einem großen Teil der Vorsprung Londons als Finanzmarkt. Die Briten haben für fast alle weltweiten Finanz- und Rechtsprobleme einen spezialisierten Anbieter.

Die Suche nach Nischen bestimmt auch die Aktivitäten anderer Städte, so dass inzwischen rund 100 und mehr globale Städte weltweit entstanden sind. Buenos Aires etwa hat eine globale Kompetenz für Sonnenblumen.

London könnte die ein oder andere Zentrale an Frankfurt oder Paris verlieren. Auch Clearing-Stellen für den Euro könnten darunter sein. Bleiben ansonsten die Bedingungen gleich, dürfte wenig aus der City abwandern. Auch Hongkong wurde eine düstere Zukunft vorhergesagt, als die Stadt nach China kam. Schanghai würde das neue internationale Zentrum werden. Hongkong blieb es, Schanghai ist nur für chinesische Werte interessant.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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