Hans Heinrich Driftmann "Wirtschaft schafft 180 000 neue Jobs"

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages erwartet 2013 vor allem in der Gesundheits- und Pharma-Branche neue Stellen. Es könnten noch mehr sein, wenn der Strompreis nicht so stark steigen würde.

Wie wird 2013 für die Wirtschaft?

Driftmann Die deutsche Wirtschaft wächst auch 2013 — jedoch mit angezogener Handbremse. Vor allem die Investitionsneigung der Unternehmen ist eingetrübt. Auch das Exportgeschäft mit den Ländern der Eurozone lahmt. Daher reicht es in diesem Jahr nur für ein Plus von 0,7 Prozent.

Eine Rezession bleibt uns voraussichtlich erspart. Warum?

Driftmann Stabilisator ist vor allem der private Konsum. Die Beschäftigung wächst weiter, die Einkommen steigen, die Preise sind stabil — alles gute Nachrichten für die Verbraucher. Bemerkenswert robust zeigen sich auch die Exporte in Länder außerhalb der Eurozone.

Was erwarten Sie am Arbeitsmarkt?

Driftmann 2013 rechne ich mit rund 180 000 zusätzlichen Stellen, größtenteils im Dienstleistungsbereich. Hierbei suchen die Unternehmen vornehmlich qualifizierte Fachkräfte. Sie stellen derzeit beispielsweise Frauen ein, die in den Arbeitsmarkt zurückkehren, junge Menschen, die früher ins Berufsleben einsteigen, oder qualifizierte Zuwanderer. Menschen ohne Berufsabschluss haben es weiterhin schwer. Daher befürchte ich gleichzeitig einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um etwa 50 000 Personen.

In welchen Branchen geht es aufwärts?

Driftmann Überdurchschnittlich legt vor allem die Gesundheitswirtschaft zu. Dafür sorgt die demografische Entwicklung. Das Exportgeschäft der Pharmabranche und der Medizintechnik profitiert von der Modernisierung der Gesundheitssysteme vor allem in Schwellenländern. Darüber hinaus wachsen Wohnungsbau und Konsumnachfrage, wenn auch nicht mehr so schnell wie in den letzten Jahren. Das kommt Bauunternehmen und beispielsweise der Gastronomie oder der Freizeitwirtschaft zugute.

Welchen Verteilungsspielraum gibt es 2013?

Driftmann Die Verteilungsspielräume sind von Branche zu Branche unterschiedlich. Die verantwortungsvollen Abschlüsse der Tarifpartner der letzten Jahre haben dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Waren und Dienstleistungen zu steigern. Mit Blick auf die nach wie vor unsichere Situation in Europa sollten wir diesen Weg nicht verlassen.

Gefährden die Strompreise Jobs?

Driftmann In Folge der Energiewende sind die Strompreise für zahlreiche Unternehmen zum 1. Januar im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Gleichzeitig ist die Weitergabe in vielen Branchen nicht möglich. Gerade für Unternehmen im internationalen Wettbewerb ist es schwierig, ihre Marktposition zu halten, geschweige denn auszubauen. Viele Betriebe investieren in Energieeffizienz und machen sich Gedanken, was sie gegen steigende Strompreise tun können. Auf jeden Fall dämpfen die Preisanstiege die Beschäftigungsentwicklung 2013. Betriebe, die die Energiepreise als Risiko sehen, haben zurückhaltendere Beschäftigungsabsichten.

Sind Ausnahmen für energieintensive Firmen beim Ökostrom richtig?

Driftmann Wenn wir auf die internationalen oder die europäischen Strompreise schauen, dann ist Deutschland immer mit an der Spitze. Viele energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, wären daher ohne Sonderregelungen in Deutschland nicht überlebensfähig. Eine gesunde Volkswirtschaft braucht aber die gesamte Bandbreite industrieller Wertschöpfung — und dazu gehören selbstverständlich energieintensive Branchen.

Steuererhöhungen gehören zum Programm von Rot-Grün. Was wären die Folgen?

Driftmann Höhere Steuern bedeuten weniger Geld für Investitionen und Innovationen. Letztlich gefährden Steuererhöhungen damit Arbeits- und Ausbildungsplätze. Die öffentlichen Haushalte kann man auch sanieren, ohne den Bürgern und Unternehmern tiefer in die Taschen zu greifen. In Zeiten von Steuereinnahmen auf Rekordniveau würde schon der Verzicht auf teure Wahlgeschenke wie zum Beispiel das Betreuungsgeld hier einiges bringen. Das Gleiche gilt auch für Ideen, neue Wohltaten in der Rentenversicherung zu verteilen.

BIRGIT MARSCHALL FÜHRTE DAS GESPRÄCH. MEHR DAZU UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/WIRTSCHAFT.

(mar)
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