Wolfsburg Will VW den Fiat-Konzern schlucken?

Wolfsburg · Volkswagen-Großaktionär Ferdinand Piëch soll sich schon mehrmals mit Fiat-Eigner Agnelli getroffen haben. Das Interesse gilt vor allem Fiats Tochter Chrysler. Der Deal könnte bis zu 20 Milliarden Euro kosten.

Es wäre der nächste Übernahme-Coup von VW-Patriarch Ferdinand Piëch: Nach Porsche, Ducati und Scania soll der Großaktionär des Wolfsburger Konzerns einem Bericht des "Manager-Magazins" zufolge einen Kauf des Autobauers Fiat Chrysler ausloten. Piëch und die Familien Elkann und Agnelli als Fiat-Haupteigner hätten bereits mehrere Gespräche darüber geführt. Die Preisvorstellungen lägen aber noch deutlich auseinander.

Nach den Gerüchten kam das Dementi: Die Agnelli-Familie hat als größter Fiat-Aktionär den Bericht über eine mögliche Übernahme des italienischen Autobauers durch Volkswagen zurückgewiesen. Es hätten keine Gespräche über eine Fusion stattgefunden, sagte ein Sprecher der Exor-Holding, in der die Familie ihre gut 30 Prozent Anteile an Fiat gebündelt hat. Auch Fiat selbst dementierte - nachdem der Konzern sich zunächst bedeckt gehalten hatte. Zuvor hatte das "Manager Magazin" berichtet, in den Gesprächen soll es vor allem um Fiats US-Tochter Chrysler gegangen sein.

Ein VW-Konzernsprecher bekräftigte, dass das Unternehmen den Bericht nicht kommentiere. Zu Marktspekulationen nehme man grundsätzlich keine Stellung. Unabhängig von dieser generellen Linie ergänzte er aber: "Derzeit stehen keine Übernahmeprojekte auf der Agenda. Wir konzentrieren uns jetzt darauf, die Effizienzen im Konzern zu heben." Ein besonders deutliches Dementi ist das nicht.

Analysten gehen davon aus, dass Piëch neue Übernahmen durchspielt. Ein Zukauf von Fiat wäre eine Option, sagte Arndt Ellinghorst vom Londoner Analysehaus International Strategy & Investment. Er gibt aber zu bedenken, dass die Probleme des Autobauers in Italien ein solches Wagnis nicht rechtfertigen würden - in Europa schreibt Fiat rote Zahlen. An der Börse ist die Firma knapp zehn Milliarden Euro wert. Ellinghorst schätzt, dass VW einschließlich der Schulden von Fiat mindestens 20 Milliarden Euro auf den Tisch legen müsste.

Am Markt löste der Bericht Spekulationen aus. Die Aktien des vor 115 Jahren gegründeten italienischen Traditionskonzerns kletterten zeitweise um fünf Prozent auf knapp acht Euro, VW-Papiere verloren bis zu drei Prozent. Nach den Dementis ging es für beide Titel wieder zurück in die jeweils andere Richtung.

Es sind nicht die ersten Spekulationen rund um Volkswagen und Italiens größten Autobauer. Piëchs Leidenschaft für die italienische Traditionsmarke Alfa Romeo ist bekannt, Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte einen Verkauf der darbenden Konzerntochter aber ausgeschlossen. Stattdessen will er fünf Milliarden Euro in die Wiederbelebung der Marke stecken, die mit neuen Modellen den Oberklasse-Platzhirschen BMW und Daimler sowie Audi Konkurrenz machen soll.

Im aktuellen Fall bezog sich das "Manager Magazin" aber vor allem auf Fiats US-Tochter Chrysler. Die Nummer drei der großen amerikanischen Hersteller war im Januar komplett unter das Konzerndach der Italiener geschlüpft. Marchionne will die fusionierte Gruppe - weltweit Nummer sieben unter den Autobauern - in diesem Jahr an die Börse in New York bringen. Der ehrgeizige Automanager will Fiat Chrysler zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von VW aufbauen. Die Wolfsburger wiederum könnten mit dem möglichen Zukauf von Chrysler die Schwäche der eigenen Kernmarke in den USA ausgleichen.

Chryslers engmaschiges Händlernetz sowie die erfolgreichen Geländewagen und Pick-ups würden die Aufstellung der Wolfsburger in den Vereinigten Staaten zudem passgenau ergänzen. Die Niedersachsen verlieren mit ihrer Hauptmarke VW-Pkw dort seit 15 Monaten an Boden. Laut dem Magazin spricht jedoch auch einiges gegen eine Einigung. So hatte VW erst kürzlich die milliardenschwere Komplettübernahme der Lkw-Tochter Scania gestemmt. Diese Integration kostet auch Ressourcen im Management. Zudem hatte es jüngst Spekulationen gegeben, wonach sich VW mit einem Nutzfahrzeug-Zukauf in den USA stärken wolle.

Der Ex-VW-Manager und heutige Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard hatte diese Gerüchte Anfang Juli angeheizt. Alles gleichzeitig sei aber kaum finanzierbar, schreibt das Magazin unter Berufung auf VW-Top-Manager.

(dpa/rtr/RP)
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