Start der Klimakonferenz Wie schädlich ist der Braunkohle-Abbau?

Hambach · Vor der Klimakonferenz, die an diesem Montag beginnt, demonstrierten Tausende am RWE-Tagebau Hambach. Ihre Proteste sind teilweise gesetzeswidrig. Doch die Kraftwerke sind die größten CO2-Emittenten in Europa. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Mit Braunkohle wird 23 Prozent des deutschen Stroms erzeugt. Sie ist nach den erneuerbaren Energien (29 Prozent) der zweitwichtigste Energieträger. Braunkohle erfreute sich lange großer Beliebtheit, weil sie der einzige heimische Rohstoff war, der ohne Subventionen auskam. Und sie ist günstig, so lange die Versorger keine teuren Verschmutzungszertifikate kaufen müssen. Braunkohle ist zudem ein wichtiger Arbeitgeber. Sie beschäftigt in Deutschland direkt allein 19.900 Mitarbeiter, so der Branchenverband. Die meisten sind im rheinischen Revier tätig, wo RWE drei Tagebaue betreibt. In einzelnen Städten spielt Braunkohle eine überragende Rolle, Grevenbroich nennt sich "Energiehauptstadt".

Es liegt an der Beschaffenheit der Braunkohle (sie ist meist später und unter weniger Druck entstanden als Steinkohle), dass bei ihrer Verstromung viel mehr Kohlendioxid (CO2) emittiert wird als bei anderen Energieträgern. Bei der Verfeuerung einer Tonne Braunkohle entsteht im Schnitt und in Abhängigkeit von der Effizienz des Kraftwerkes eine Tonne Kohlendioxid. Bei Steinkohle sind es rund zehn Prozent weniger, bei Gas fällt nur ein Drittel so viel CO2 an - von Wind- und Atomkraft ganz zu schweigen. Kohlendioxid ist zwar ein natürlicher Bestandteil der Luft, trägt aber in hoher Konzentration maßgeblich zur Erderwärmung bei, die für Klimawandel, Dürre und Überflutungen mitverantwortlich ist. Daher gilt Braunkohle als schmutzige Energie. Die Kraftwerke von RWE sind die größten CO2-Emittenten in Europa.

Donald Trump nennt den Klimawandel gerne eine Erfindung. Nun haben ihm US-Behörden widersprochen. In einem Bericht, den sie alle vier Jahre für den Kongress erstellen, heißt es: Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (wie Braunkohle) seien Haupttreiber der Erderwärmung. Eine andere überzeugende Erklärung gebe es nicht, so die 50 Wissenschaftler.

Während Steinkohle in Deutschland aus über 1000 Meter Tiefe kommt, wird Braunkohle im Tagebau gewonnen. Entsprechend müssen für die riesigen Schaufelradbagger Wälder, Dörfer und Menschen weichen. Für die Tagebaue im rheinischen Revier wurden über 38.000 Menschen umgesiedelt. In der Regel werden sie von RWE großzügig entschädigt, verlieren aber ihre Heimat.

Bislang plant RWE, dass der Tagebau Inden bis 2030 ausgekohlt ist, die Tagebaue Hambach und Garzweiler bis Mitte des Jahrhunderts. Die frühere rot-grüne Landesregierung hat 2015 in ihrer Leitentscheidung für Garzweiler II zwar die Abbaumenge um ein Drittel reduziert, aber kein Ausstiegsdatum festgelegt. Die Grünen fordern, dass die 20 schmutzigsten Blöcke sofort abgeschaltet werden. "Ohne Ausstieg aus der Kohleverbrennung keine Koalition, das weiß auch Angela Merkel. Über das Wie können wir gerne verhandeln, aber nicht über das Ob", sagte Sven Lehmann, Landeschef der NRW-Grünen, in Richtung der Jamaika-Sondierungen. Ein Datum nennt er nicht. Der frühere Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen hält einen sozialverträglichen Ausstieg bis 2030 für möglich.

RWE hat eigentumsgleiche Zusagen: NRW hatte allein für Garzweiler noch den Abbau von 800 Millionen Tonnen erlaubt. Und gleich zwei Gewerkschaften kämpfen für die soziale Absicherung eines vorzeitigen Ausstiegs, der laut Verdi bis zu 17 Milliarden Euro kosten kann. Verdi verlangt, dazu Erlöse aus dem Verkauf der Verschmutzungsrechte zu nutzen. Schon jetzt zahlen Stromkunden 1,6 Milliarden für die 2015 beschlossene Kraftwerks-Reserve.

Er wäre sinnvoll, damit Deutschland seine Klimaziele 2020 doch noch erreicht. Alternativ könnte die Politik Druck beim Verkehr (sparsamere Motoren) oder beim Wohnen (bessere Dämmung) machen. Die FDP warnt vor übereilten Schritten bei der Kohle: Es sei nichts gewonnen, wenn anschließend Kohlestrom aus Polen oder Kernenergie aus Frankreich importiert werden müsse.

Einen Tag vor der Klimakonferenz in Bonn hatten Tausende gegen die Braunkohle demonstriert. Laut Polizei nahmen 2500 an der Aktion am Tagebau Hambach teil, die Veranstalter sprachen von 4500 Teilnehmern. Auf Transparenten forderten sie "Raus aus der Kohle" und "Tagebaue stoppen".

Eine Gruppe drang bis zum Tagebaurand vor. RWE legte einzelne Bagger und Bandanlagen still, "um eine Gefährdung der Eindringlinge zu minimieren", so der Konzern. Es kam zu Rangeleien. Polizisten setzen Pfefferspray ein und nahmen einen Demonstranten fest. Sonst sei es weitgehend friedlich geblieben, erklärte die Polizei.

Am Samstag hatten Tausende in Bonn demonstriert.

(RP)
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