Mitfahrzentrale Was kümmert uns das Blabla von gestern?

Köln · Jahrelang konnten sich Autofahrer auf Online-Plattformen kostenlos Mitfahrer suchen, um die Kosten zu teilen - auch bei Blablacar. Doch nun will das Start-up daraus doch Profit schlagen - und könnte damit viele Kunden verprellen.

Mitfahrzentrale: Was kümmert uns das Blabla von gestern?
Foto: Weber

Für die 575 Kilometer lange Strecke von Köln nach München hat sich Julia Engelhart vier Mitfahrer über die Mitfahrgelegenheit "Blablacar" gesucht. So möchte die junge Frau Kosten sparen. "Ich habe den Tipp von Freunden bekommen", sagt die angehende Tanzlehrerin, die aufgrund ihrer Ausbildung häufig quer durch die Republik fährt. "Wenn alle mitfahren, mache ich sogar etwas Gewinn."

Mitfahrgelegenheiten funktionieren im Grunde immer nach dem gleichen Prinzip: Jemand hat ein Auto und noch Plätze frei, andere haben kein Auto und möchten gerne mitfahren - die fahrzeuglosen Reisenden beteiligen sich dafür am Sprit und sorgen für Gesprächsstoff, wenn dieser gewünscht wird. Früher hat man sich hierfür mündlich, am Schwarzen Brett oder sogar über ein Mitfahrtelefon verabredet, heute läuft das Verfahren online ab.

Zum Beispiel über Blablacar. Das Start-up wurde 2006 in Frankreich gegründet und ist mittlerweile in 22 Ländern aktiv. Nach Unternehmensangaben nutzen die Plattform weltweit zehn Millionen Reisende pro Quartal. Blablacar gehört mittlerweile zu den wertvollsten Start-ups in Europa, Mitgründer Nicolas Brusson beziffert den Wert auf rund 1,4 Milliarden Euro.

Das liegt auch an der starken Stellung auf manchen Märkten wie Deutschland. Die Konkurrenz ist hierzulande eher gering, Blablacar läuft Mitfahrgelegenheiten wie dem ADAC Mitfahrclub, Bessermitfahren.de oder Flinc längst den Rang ab. Nur ein Konkurrent konnte lange Zeit mithalten: Mitfahrgelegenheit.de. Die kostenlose Plattform war 15 Jahre lang beliebt - bis zu dem Tag, als sie ihr Angebot gebührenpflichtig machte. Der Dienst scheiterte an der Einführung, weil ausgerechnet Blablacar weiterhin eine kostenlose Vermittlung anbot. Zum 1. April hat das Unternehmen den alten Konkurrenten übernommen und damit praktisch eine Monopolstellung inne. Laut eigenen Angaben deckt man nun 90 Prozent des deutschen Marktes ab.

Die starke Stellung will Blablacar nun nutzen, um das zu versuchen, woran der Konkurrent gescheitert war: eine gebührenpflichtige Version. Eine durchschnittlich lange Strecke, etwa von Frankfurt am Main bis Freiburg, würde dann zwei bis drei Euro Provision kosten, sagt eine Sprecherin und betont, dass es dafür keine Werbung auf der Seite gäbe. Die Gebühr kommt noch in diesem Jahr, den Anfang macht ein neues Bezahlsystem, bei dem die Nutzer nicht mehr in bar, sondern lediglich via Online-Bezahldienst Paypal oder Kreditkarte bezahlen können. Der Dienst wird nach und nach deutschlandweit eingeführt.

Bei vielen Nutzern sorgt das für heftige Proteste. Blablacar möchte durch das Online-Bezahlsystem gewährleisten, dass weniger gebuchte Fahrten kurzfristig abgesagt werden. Für Julia Engelhart hätten die Änderungen durchaus einen Nutzen, denn wenn jemand zwei Stunden vor der Fahrt plötzlich absagt, bekommt sie das Geld, mit dem sie gerechnet hatte, nicht. Bei einer Absage mit dem neuen Online-Bezahlsystem würde Engelhart immerhin die Hälfte des Geldes bekommen, die andere geht an den potenziellen Mitfahrer zurück. "Wenn ich mich auf meine Mitfahrer und somit das Geld für den Sprit verlassen könnte, wäre das super", sagt sie. "Bis jetzt war es ja eher eine offene Sache, ob Leute noch einmal abspringen", sagt die Vielfahrerin, die seit Juli vergangenen Jahres das Portal nutzt. Sie wäre durchaus bereit, für den Service eine Provision an Blablacar zu zahlen.

Martin Lehnhausen (44) nimmt seit drei Jahren auf seinem Arbeitsweg von Köln nach Münster Mitfahrer mit. Auf das Geld ist er nicht angewiesen, freut sich aber über Gesellschaft während der eineinhalbstündigen Fahrt. Die Umstellung auf den Online-Bezahlservice sieht er eher negativ - vor einigen Wochen wurde der Online-Bezahldienst auch auf seiner Strecke eingeführt. "Ich habe das Gefühl, dass das viele Mitfahrer abschreckt. Seit der Einführung habe ich viel weniger Buchungen", sagt Lehnhausen. Dabei könne er auf seinem Profil sehen, wie viele Menschen die angebotenen Fahrten ansehen würden. "Es sind noch genauso viele wie früher - aber sie buchen nicht mehr."

Einen Grund vermutet Lehnhausen darin, dass viele keine Kreditkarte besitzen und Paypal nicht nutzen. Außerdem sei es nicht mehr möglich, private Nachrichten vor der Reservierung zu verschicken. Absprachen von Fahrer zu Mitfahrer werden so verhindert. Blablacar verhindert damit gleichzeitig auch, dass sich Fahrer und Mitfahrer am Unternehmen vorbei auf einen günstigeren Preis verständigen - und das Start-up leer ausgeht.

(RP)
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