Analyse Wachsende Sorge vor Chinas Markteinfluss

Düsseldorf · Peking verlangt die Anerkennung als Marktwirtschaft durch die EU und weniger Vorbehalte gegen seine Investoren.

Wenn an diesem Mittwoch in der altehrwürdigen Hamburger Handelskammer Vertreter zum zehnten "Hamburg Summit" zusammenkommen, dem wichtigsten EU-China-Treffen, dann dürfte es in den Diskussionforen hitzig zur Sache gehen. Denn die chinesischen Gäste sind in mehrfacher Hinsicht verstimmt: Sie drängen beispielsweise auf eine automatische Anerkennung der Volksrepublik als Marktwirtschaft durch die EU ab dem 11. Dezember - so wie es das Beitrittsdokument zur Welthandelsorganisation (WTO) aus dem Jahr 2001 verspricht. Dieser Status ist aus Sicht Pekings so bedeutsam, weil er der EU Anti-Dumping-Maßnahmen erschweren würden. Doch die hiesige Wirtschaft - insbesondere die Stahlindustrie - nähme wohl lieber eine Klage der Chinesen vor der WTO in Kauf, als sich kampflos deren Druck zu beugen. Zu groß ist die Angst, die Chinesen könnten weiter mit subventionierten Produkten den Westen überschwemmen.

Ein weiterer Grund für die angespannte Lage: Chinesischen Investoren weht bei ihren Einkaufstouren im Ausland ein rauerer Wind entgegen. Am Wochenende erst musste der nordrhein-westfälische Spezialmaschinenbauer Aixtron per Ad-hoc-Mitteilung bekannt geben, dass der geplante Kauf durch ein chinesisches Unternehmen erst einmal auf dem Schreibtisch des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama landet.

Auslöser für die weitere Verzögerung bei den Verkaufsbemühungen ist, dass die prüfende US-Behörde für Auslandsinvestitionen keine abschließende Freigabeentscheidung treffen wolle, da sie ungelöste amerikanische Sicherheitsbedenken als Hindernis sieht - Produkte von Aixtron könnten auch militärisch genutzt werden. Daher habe sie den Fall zur Entscheidung an den Präsidenten verwiesen und wolle ihm gleichzeitig empfehlen, keine Freigabe zu erteilen. Obama hat nun zwei Wochen Zeit, eine Entscheidung zu fällen. Dass er sich dabei gegen die Empfehlung wendet, ist höchst unwahrscheinlich.

Ungeachtet dessen halten Aixtron und die chinesische Grand Chip Investment an dem Vorhaben fest. Grand Chip Investment hatte im Juli ein 670 Millionen Euro schweres Kaufangebot für Aixtron abgegeben. Die Firma aus Herzogenrath bei Aachen stellt Produktionsmaschinen für die Chipindustrie her, hatte zuletzt aber unter Preisdruck und hohen Entwicklungskosten zu leiden und steckt in den roten Zahlen. Das Management hatte die Annahme der Offerte empfohlen.

Das Engagement der Chinesen in Deutschland und Europa ist enorm. Der Chef der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, sagte jüngst auf einer Tagung der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf, im vergangenen Jahr seien 22 Milliarden Euro an Investitionen von China in die EU geflossen, umgekehrt seien es nur zehn Milliarden Euro gewesen: "Während wir bei den Investitionen eine Autobahn von China nach Europa haben, ist es in umgekehrter Richtung nur ein dünner Pfad", so Wuttke. Nach einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY tätigten chinesische Firmen allein im ersten Halbjahr so viele Akquisitionen wie im gesamten Jahr 2014. In Europa kauften oder beteiligten sie sich an 164 Unternehmen, in Deutschland waren es 37 Unternehmen.

Dass es umgekehrt schleppender läuft, machte jüngst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Thema bei seiner Reise nach China. Der Minister und auch zahlreiche Wirtschaftsvertrer wie etwa der Chef der Stahlsparte von Thyssenkrupp, Andreas Goss, werden nicht müde, das sogenannte "Level-Playing-Field" zu fordern - also einheitliche Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten. Doch Handelskammerchef Wuttke zufolge hapert es genau daran: Investoren aus Deutschland und der EU bekämen nicht nur Gegenwind von den dort erstarkenden Konkurrenten sondern vor allem von Regulatoren. Viel Stoff also für hitzige Debatten in Hamburg.

(maxi)
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