Wolfsburg VW muss 540.000 Autos umrüsten

Wolfsburg · 2,4 Millionen Autos muss der Konzern in Deutschland zurückholen, bei fast jedem vierten müssen Teile ausgetauscht werden. Gleichzeitig spitzt sich der Streit um Entschädigungen zu. In den USA gibt es 1000 Dollar für viele Kunden.

Unter schlimmeren Vorzeichen hat wohl selten der Aufsichtsrat von Volkswagen getagt wie gestern: Vorstand und die mächtigen Mitarbeitervertreter lagen über Kreuz, weil die Milliardenkosten der verschiedenen Skandale nun über eine effizientere Produktion ausgeglichen werden sollen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace veränderte direkt am Haupttor das VW-Logo in ein CO2-Zeichen. Jüngst hatte VW zugeben müssen, bei den Werten zum Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) getrickst zu haben. Und in Berlin gab das Bundesverkehrsministerium bekannt, dass es bei 540.000 Dieselautos in Deutschland nicht reichen wird, eine neue Software aufzuspielen, um zu hohe Stickoxidwerte wieder zu senken. Tatsächlich müssen nun Teile ausgetauscht werden. "Das wird für VW teuer und für die Kunden ärgerlich", sagt der Duisburger Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. "Aber es war absehbar, dass bei vielen Wagen eine neue Software nicht reichen wird, um die Emissionen zu senken." Motortypen Bei den 540.000 Autos geht es um einen Teil der 2,4 Millionen in Deutschland fahrenden Diesel-Wagen der Marken VW, Audi und Skoda, die gemäß Kraftfahrtbundesamt 2016 zurückgerufen werden müssen. Grund ist, dass ihre Turbodieselmotoren jeweils deutlich mehr giftiges Stickoxid emittieren als angegeben.

Sicher scheint, so VW, dass für Wagen mit zwei Liter-Motor das Aufrüsten der Software reicht. Dagegen scheinen Wagen mit 1,6 Liter Hubraum und möglicherweise die wenigen Fahrzeuge mit 1,2 Litern Hubraum teilweise eine größere Umrüstung zu brauchen - aber Volkswagen gibt bisher nicht bekannt, welches Auto wie umgebaut wird. Es geht aber immer um Fahrzeuge mit dem mittlerweile berühmten Turbodieselmotor EA 189, der weltweit elf Millionen Mal mit jeweils zu hohen Stickoxidemissionen verbaut wurde. Die Halter der Wagen in Deutschland werden spätestens nächstes Jahr von Volkswagen per Post informiert, dass und wann ihr Auto in die Werkstatt soll. Schadensausgleich Bei der Diskussion über Entschädigungen kommt Wolfsburg weiter unter Druck. Der Konzern bestätigte gestern, dass er vielen Kunden in den USA einen Gutschein schenken will, um den Ärger über die zu hohen Stickstoffemissionen ihrer Wagen zu mindern. Konkret soll es für Kunden der Marke VW 1000 Dollar geben, also umgerechnet 930 Euro. Bei Audi ist ein ähnliches Programm geplant. Die Kunden müssen für die Gutschriften auch nicht auf spätere Klagen verzichten, erklärt Volkswagen. Zudem garantiert der Konzern drei Jahre kostenlose Pannenhilfe.

Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, fordert ein ähnliches Programm für Deutschland. "Es ist gut, dass VW nun in den USA wirklich einen Schritt auf die Verbraucher zugeht. Selbstverständlich sollte sich Volkswagen eine vergleichbare Aktion auch für den Heimatmarkt ausdenken. Es kann ja nicht sein, dass Kunden hierzulande schlechter behandelt werden als auf der anderen Seite des Atlantiks."

Über weiterreichende Überlegungen des Autogiganten berichtet Dudenhöffer: "VW könnte den Inhabern aller Autos mit fragwürdigen Motoren anbieten, die Wagen mit einem Aufschlag von 3000 oder 4000 Euro zurückzunehmen. Dann kann der Konzern die Wagen nach der Umrüstung frei verkaufen, die Kunden können sich einen Neuwagen kaufen." Gemeint sind dabei auch die 200.000 Fahrer von Autos in Deutschland, welche mehr Kohlendioxid als angegeben emittieren. Autofinanzierung Als weiteren Rückschlag für den Vorstand senkte gestern die Ratingagentur Fitch die Bonitätsnote der Volkswagen-Kredite ab. Damit wird die großzügige Finanzierung von verkauften oder verleasten Wagen deutlich teurer.

(RP)
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