Wolfsburg VW feilscht um das letzte Hemd

Wolfsburg · In Wolfsburg wird darüber gestritten, welche Konsequenzen der Abgasskandal für Mitarbeiter hat. Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen Top-Manager. Sie sollen früh Bescheid gewusst haben - und nun die Aufklärung vorantreiben.

Der Kommunikationsabteilung von Volkswagen bleibt momentan wenig erspart. Immer neue Meldungen im Abgasskandal lassen das Unternehmen nicht zur Ruhe kommen, weil US-Umweltbehörden, Anwälte und auch der eigene Betriebsratschef den Konzern vor sich hertreiben. Und dann das. Gestern erreichte die Laune wohl ihren Tiefpunkt: Da wurde erst bekannt, dass VW offenbar überlegt, den Bandarbeitern die Arbeits-T-Shirts zu streichen, und später, dass Top-Manager früh über den Skandal informiert gewesen sein sollen.

Es ist eine öffentliche Demütigung für den stolzen Autobauer: Wie muss es um ihn bestellt sein, wenn er sogar um das letzte Hemd seiner Angestellten feilschen muss? "Wenn wir effizienter werden wollen, müssen wir nicht Erbsen zählen. Wir müssen die großen Themen anpacken", kommentierte der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh denn auch gestern genüsslich die Spekulationen.

Die T-Shirts sind wohl kaum VWs Rezept, um aus der Krise zu kommen. Aber sie sind ein weiterer Nadelstich, mit dem Osterloh den von ihm wohl nicht sonderlich gelittenen VW-Markenchef Herbert Diess piesackt. Dieser war von BMW zu Volkswagen gewechselt, um die Profitabilität der Marke zu steigern - und natürlich gibt es daher Befürchtungen, dass dies auf Kosten der Belegschaft gehen könnte, zumal noch die finanziellen Folgen des Abgasskandals hinzukommen.

Dass daher rund 3000 Arbeitsplätze in der Verwaltung gestrichen werden sollen, bringt jedoch nicht nur den Betriebsrat gegen Diess auf - sondern auch die Politik. "Die Pläne von Herrn Diess sind aus der neoliberalen Mottenkiste", sagte Gerd Will, Wirtschaftsexperte der SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen. Und auch bei Ministerpräsident Stephan Weil und seinem Wirtschaftsminister (beide SPD) ist der Ärger groß: "Hier werden Zahlen in die Welt gesetzt, über die die Landesregierung und die Gremien nicht informiert waren - und auch noch immer nicht sind", sagte ein Sprecher von Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies.

Diess droht unterdessen auch von weiterer Seite Ärger. Der "Spiegel" berichtet, dass Diess sowie Konzernvorstand Francisco Javier Garcia Sanz bereits im August 2015 vom Einsatz der illegalen Motorensoftware erfahren haben, Wochen bevor Volkswagen den Gesetzesverstoß offiziell einräumte. Das ist für Volkswagen vor allem deshalb heikel, weil Garcia Sanz im VW-Vorstand für die Aufarbeitung der Folgen des Betrugs zuständig ist. Er verhandelt zusammen mit der für Recht und Integrität zuständigen Christine Hohmann-Dennhardt mit der US-Umweltbehörde EPA über die Entschädigung der Kunden.

Dort ist man sowieso schon nicht gut auf die Deutschen zu sprechen. Nicht nur, dass noch immer keine Lösung zur Behebung der Abgas-Problematik feststeht, nun tauchen auch noch neue Vorwürfe auf: Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR sollen VW-Entwickler noch Monate, nachdem das Unternehmen bereits wegen überhöhter Abgaswerte im Visier der Umweltbehörde war, weitere Manipulationen an Dieselmotoren vorgenommen haben. Demnach soll die illegale Abschalteinrichtung noch zum Jahreswechsel 2014/2015 unbemerkt von den US-Behörden durch ein Software-Update verfeinert worden sein. Dadurch konnten die Fahrzeuge noch genauer erkennen, ob sie sich auf einem Prüfstand befanden. Der Konzernvorstand soll davon nichts gewusst haben.

Ein Sprecher der kalifornischen Umweltbehörde Carb warnte vor Konsequenzen, sollten die Vorwürfe zutreffen: "Das wird die Strafzahlungen beeinflussen, das zeigt die Haltung von VW, von Anfang an nicht mit uns zu kooperieren, um Umweltschäden abzuwenden."

(frin)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort