Düsseldorf VW-Chef Müller gerät unter Druck

Düsseldorf · Die schlechten Nachrichten bei VW reißen nicht ab. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter des Autobauers. Bei Tochter Audi läuft es kaum besser. Dadurch steht auch ein einstiger Hoffnungsträger in der Schusslinie.

Die neuste Enthüllung in der VW-Affäre geht so: Als 2010 ein neues Energieeffizienzlabel für Autos eingeführt werden sollte, schrieb VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg an die Bundesregierung: Mit den Energiesparkonzepten von VW ließe sich die höchste Effizienzklasse A nicht erreichen. Die Regierung sollte daher die Bewertung soweit absenken, dass auch VW in der Top-Kategorie gelistet werde. Doch dieser Wunsch ging dem damaligen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wohl doch etwas zu weit. Das Gesetz trat 2012 in Kraft - in dem Jahr, in dem bei VW die Betrügereien begannen.

So berichtet es die NDR-Sendung "Panorama 3". VW bestreitet einen Zusammenhang. Und doch stellt sich die Frage: Warum hat sich niemand gewundert, als VW plötzlich doch die Werte einhalten konnte?

Noch immer liegt in der VW-Affäre vieles im Dunklen. Intern will dies eine Schar von Wirtschaftsprüfern und Anwälten ändern, extern die Justiz. Gestern wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig ihre Ermittlungen gegen VW ausgeweitet hat. Der Verdacht: Steuerhinterziehung. Fünf Mitarbeiter sind ins Visier geraten. Um welche Summen es geht, ist bislang unklar. Hintergrund ist auch hier der Abgasskandal. Denn der Ausstoß von Kohlendioxid spielt eine wichtige Rolle bei der Berechnung der Kfz-Steuer. Und da liegt das Problem: VW hatte zuletzt mitgeteilt, dass bei 800.000 Fahrzeugen zu niedrige CO2-Werte angegeben worden seien - theoretisch könnte dadurch also auch zu wenig Kfz-Steuer bezahlt worden sein.

Es ist die nächste Wendung innerhalb eines Tages. Kurz zuvor hatte bereits die VW-Tochter Audi einräumen müssen, dass in den USA verbotene Motorsoftware bei Drei-Liter-Motoren zum Einsatz gekommen ist. Dies hatte der VW-Konzern bislang abgestritten.

Nun also doch. Die Nachricht ist verheerend für VW-Chef Matthias Müller, der nach dem Abgang seines Vorgängers Martin Winterkorn schonungslose Aufklärung angekündigt hatte. Trotzdem kommt der Konzern kaum aus der Defensive. Besonders problematisch ist für Müller, dass der betroffene V6 TDI Dieselmotor auch im Porsche Cayenne verbaut wurde - also in einem Fahrzeug des Herstellers, dessen Geschicke Müller vor dem Wechsel an die VW-Spitze leitete.

"Je mehr bekannt wird, desto dünner wird die Luft für Herrn Müller", sagt Ingo Speich, Fondsmanager von Union Investment. Viele Kritiker sehen das ähnlich: Nun räche sich, dass VW auf eine interne Lösung statt auf einen unbelasteten Kopf von außen gesetzt habe.

Immerhin konnte Müller gestern bei Anlegern punkten. Seine Ankündigung, der Aufwand für die Nachrüstung der in Europa betroffenen Fahrzeuge sei geringer als erwartet, ließ die VW-Aktie steigen.

Schlimmer als für Müller ist die Entwicklung für Rupert Stadler. Der lange als möglicher Winterkorn-Nachfolger gehandelte Audi-Chef gerät selbst in die Schusslinie. "Wenn er das gewusst hat, ist er im Grund nicht in seinem Amt zu halten", heißt es aus dem Umfeld des mächtigen VW-Aufsichtsrats. Öffentlich auf Distanz ging bislang niemand - Rückendeckung gab es für den Audi-Mann aus Wolfsburg zunächst aber auch nicht.

Die Dimension des aktuellen Audi-Falles ist zwar kleiner als die ursprüngliche VW-Affäre um manipulierte Software zum Schönen von Stickoxidwerten. Doch allein der Begriff "Schummelsoftware" reicht aktuell als Reizwort aus, um das öffentliche Ansehen des gesamten VW-Konzerns weiter zu schädigen.

(frin)
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