Karlsruhe Vergleichsportale müssen fairer werden

Karlsruhe · Der Bundesgerichtshof verbietet dem Ärzte-Vergleichsportal Jameda, eine Ärztin gegen ihren Willen aufzuführen und direkt daneben Konkurrenz-Werbung zu schalten. Dies zeigt Grenzen für Portale - auch das Kartellamt wird aktiv.

Karlsruhe: Vergleichsportale müssen fairer werden
Foto: Schnettler

Das Ärzte-Vergleichsportal Jameda hat eine empfindliche Niederlage erlitten: Der Bundesgerichtshof (BGH) verbot dem Münchener Unternehmen, die Kölner Hautärztin Astrid Eichhorn gegen ihren Willen aufzuführen, obwohl gleichzeitig Werbung der Konkurrenz daneben eingeblendet wird. Ärzte, die sich gegen eine Gebühr als Premiumkunden einstufen lassen, mussten die Werbung der Konkurrenz neben ihrem Eintrag dagegen nicht ertragen. "Ich freue mich, dass mit der Schutzgelderpressung durch Jameda nun Schluss ist", erklärt dazu Eichhorn im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Bundesärztekammer begrüßt das Urteil: "Es ist gut und richtig, dass der BGH Klarheit geschaffen hat", sagt Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery, "Er hat den Portalbetreibern mit solchen Geschäftsmodellen ihre Stellung als ,neutraler Informationsvermittler' abgesprochen."

Jameda reagierte prompt, indem es einen Teil seines Geschäftsmodelles änderte: Es hat zwar weiter den Anspruch, alle Ärzte Deutschlands aufzuführen und Bewertungen über sie von tatsächlichen oder angeblichen Patienten zu publizieren. Doch es gibt keine Werbung mehr direkt neben Ärzte-Einträgen. Jameda-Geschäftsführer Florian Weiß sagt: "Patienten finden auf Jameda auch weiter alle niedergelassenen Ärzte Deutschlands." Weniger Werbeeinnahmen könne die Firma verkraften. Weil es keine Werbung mehr gebe, gebe es keinen Löschanspruch mehr. Eichhorn kann er aber nicht mehr aufführen, weil sie die Praxis aufgab und als Vertretungsärztin arbeitet.

Tatsächlich hat der BGH mit seinem Urteil dem Ausschlachten von Nutzerdaten durch Online-Portale einen kleinen Riegel vorgeschoben. Er hat zwar in den Vorjahren immer wieder Portalen erlaubt, Bewertungen beispielsweise von Lehrern, Anwälten oder Ärzten zu veröffentlichen, weil dies von der Meinungsfreiheit im Grundgesetz gedeckt werde. Doch nun hält der BGH es auch für notwendig, dass ein Portal wirklich ein "neutraler" Informationsmittler" ist. "Diese Forderung könnte so manches Vergleichsportal unter Druck setzen", meint dazu der Kölner Anwalt Christian Solmecke. "Ich bin gespannt auf die Begründung des Urteils. Der BGH sieht den Wert der informationellen Selbstbestimmung nun doch als sehr hoch an. Außerdem könnten alle Portale ein Problem bekommen, die Premium-Kunden schwer nachvollziehbar bevorzugen."

Genau dafür scheint es bei Jameda Anzeichen zu geben. So berichtete die "Zeit" im Januar über eine Studie, der zufolge bei Jameda von Ärzten, die für ihren Eintrag gezahlt hatten, 95,3 Prozent die Note eins erhielten. Dieses tolle Ergebnis erreichten aber nur 77,3 Prozent der nicht zahlenden Mediziner, 10,2 Prozent von ihnen erhielten die Noten fünf oder sechs. Jameda selbst erklärt, Premium-Kunden bei der Bewertung nicht zu bevorzugen.

Dabei ist nicht auszuschließen, dass diese Statistik ein anderes Phänomen bei Vergleichsportalen zeigt: Beim Sortieren der in Wahrheit nicht überprüfbaren Bewertungen entstehen automatisch Sieger und Verlierer. Dann werden eben die Gewinner gedrängt, ihre gute Bewertung durch Geldzahlungen besser zu platzieren. Ein Premium-Paket Silber kostet bei Jameda 59 Euro im Monat. Solche Ärzte dürfen Artikel in einem "Experten-Ratgeber" bei Jameda publizieren und werden als entsprechende Fachärzte gewürdigt - das Portal wird auf diesem Weg zur Geldmaschine.

Zufrieden mit dem Urteil zeigte sich der Branchenverband der Computer- und Internetwirtschaft, Bitkom: "Wir begrüßen, dass eine Bewertung der Ärzte durch Patienten weiterhin grundsätzlich zulässig bleibt und den Patienten damit weiterhin eine wertvolle Entscheidungshilfe geboten werden kann." Auch der Wirtschaftsprofessor Klemens Skibicki hält die Entscheidung für nachvollziehbar: "Wir brauchen offene Kommunikation im Internet. Aber wenn ungefragt gesammelte Daten nur genutzt werden, um Anzeigen von Wettbewerbern daneben zu platzieren, ist das fragwürdig."

Auch das Bundeskartellamt nimmt sich der Vergleichsportale an: Es untersucht aktuell, ob sie teilweise ihre sehr hohe Marktmacht missbrauchen und zu welchen Konditionen sie manchmal auch Verträge von bewerteten Firmen wie bei Strom oder Gas vermitteln.

(RP)
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