Düsseldorf Verdi verlangt sechs Prozent für Staatsdiener

Düsseldorf · Die Gewerkschaft erhebt die bislang höchste Forderung in der Tarifrunde 2016. Zudem sollen die Azubis 100 Euro mehr im Monat bekommen und unbefristet übernommen werden. Die Bürger müssen sich auf Warnstreiks einstellen.

Den Kommunen stehen turbulente Wochen ins Haus. Zu der Belastung durch die Flüchtlingskrise kommt nun noch ein handfester Tarifkonflikt hinzu - womöglich mit massiven Warnstreiks. Zwar hatte der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände, Thomas Böhle, im Gespräch mit unserer Redaktion Zurückhaltung der Gewerkschaften angemahnt. Allein, es blieb ein frommer Wunsch: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Gewerkschaft der Polizei, die IG Bau, die Lehrergewerkschaft GEW und der Deutsche Beamtenbund setzten sich mit ihrer Forderung an die Spitze der Bewegung: Sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt sollen die 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten bei Bund und Kommunen nach dem Willen der Gewerkschaften mehr bekommen. Die Azubi-Gehälter sollen um 100 Euro monatlich steigen. Außerdem sollen alle fertigen Auszubildenden unbefristet angestellt werden. Befristete Arbeitsverträge, so der Wunsch von Verdi und Co., darf es nicht mehr ohne Sachgrund geben. Auch soll das Tarifergebnis schnell und eins zu eins auf die Beamten übertragen werden. Die gewünschte Laufzeit beträgt ein Jahr.

"Insgesamt haben die Forderungen für die kommunalen Arbeitgeber ein Volumen von rund 5,6 Milliarden Euro. Das ist für uns nicht darstellbar", so Böhle. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kommen zudem Mehrkosten von insgesamt 1,7 Milliarden Euro pro Jahr dazu, die der Bund schultern müsse.

Trotzdem ist das Arbeitgeberlager zu Lohnerhöhungen bereit. Minister Thomas de Maizière (CDU): "Das Anliegen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nach angemessener Lohnerhöhung ist berechtigt. Dazu bedarf es keiner Verhandlungsrituale und keiner Streiks, nicht einmal Warnstreiks. Wir wissen auch so, die geleistete Arbeit zu würdigen." Auch Böhle zeigte sich offen: "Unsere Leute leisten hervorragende Arbeit. Sie haben ein Anrecht darauf, an den Verbesserungen der gesamtwirtschaftlichen Lage zu partizipieren."

Möglich sei die geforderte Lohnsteigerung aufgrund der weiter wachsenden Wirtschaft und der steigenden Steuereinnahmen, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. Der private Konsum sei der "Motor der guten Konjunkturentwicklung" und müsse weiter gestärkt werden. Zudem müsse dafür gesorgt werden, dass der öffentliche Dienst attraktiv bleibe und im Wettbewerb um Fachkräfte konkurrieren könne. Die GdP attackierte VKA-Präsident Böhle, der erklärt hatte, der Flüchtlingszustrom schränke den Lohnspielraum der Kommunen ein. Es sei unverfroren, sagte GdP-Vorstandsmitglied Kerstin Philipp, die Flüchtlingskrise gegen die berechtigten Forderungen der Beschäftigten auszuspielen. "Seit Jahren erleben wir, dass den öffentlichen Arbeitgebern kein Argument zu schwach ist, den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes die Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung zu verweigern."

Alle Gewerkschaften argumentierten mit einem Nachholbedarf gegenüber der freien Wirtschaft. "Lange Zeit war der Öffentliche Dienst angesichts der hohen Defizite der öffentlichen Haushalte von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt", sagt auch Hagen Lesch, Tarifexperte am Institut der deutschen Wirtschaft. Allerdings habe Verdi einen Kurswechsel vollzogen und inzwischen aufgeholt. " Zwischen 2007 und 2015 legten die Tariflöhne je Stunde um 22,9 Prozent zu. Das war mehr als in der Gastronomie mit 20,5 Prozent und im Einzelhandel mit 18,7 Prozent - und genauso viel wie im Verarbeitenden Gewerbe", so Lesch. Vieles spreche dafür, dass Verdi die Strategie der vergangenen Jahre fortsetzen werde: eine hohe Forderung bei zugleich massiven Warnstreiks.

Der Konflikt könnte auch von den Arbeitgebern noch angeheizt werden. Die haben bereits angekündigt, das Thema betriebliche Altersversorgung neu verhandeln zu wollen. Künftig wollen die Arbeitgeber nur noch die Beiträge garantieren, nicht aber die Leistungen am Ende.

(maxi)
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