Wikileaks-Enthüllungen Wie Sony Politik machte

Los Angeles · In der Affäre um den Satirefilm "The Interview" sah die Filmproduktionsfirma Sony wie ein Konzern aus, der unverschuldet zum Opfer eines politisch motivierten Hacker-Angriffs aus Nordkorea wurde. Die nun auf der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichten E-Mails legen nahe: So unpolitisch war Sony nicht.

 Über 30.000 Dokumente, darunter Drehbücher und E-Mail-Verkehr, wurden auf der Plattform Wikileaks bereitgestellt.

Über 30.000 Dokumente, darunter Drehbücher und E-Mail-Verkehr, wurden auf der Plattform Wikileaks bereitgestellt.

Foto: dpa, Oliver Berg

Insgesamt 30.287 Dokumente des in den USA ansässigen Filmkonzerns Sony Pictures sowie 173.132 E-Mails hat Wikileaks ins Internet gestellt. Unter den mehr als 2200 Adressaten und Absendern der E-Mails sind hochrangige Sony-Mitarbeiter sowie Prominente aus der Unterhaltungsindustrie. Der Inhalt der E-Mails und die Intensität des Schriftverkehrs legen dabei offen, welch enge Kontakte die Firmenchefs vor allem zu politischen Lobbyisten pflegten.

Die Veröffentlichung der Dokumente ist höchst umstritten. Sony argumentiert, dass die Entscheidung den Hackern in die Karten spielen würde, die im vergangenen Jahr mit einer Attacke dafür gesorgt hatten, dass ein erster Teil der E-Mails und Papiere ihren Weg ins Internet fand. Bei dem Hackerangriff im Dezember des vergangenen Jahres hatte es sich nach Angaben des FBI um eine Racheaktion gehandelt. Nordkoreanische Aktivisten sollen versucht haben, die Veröffentlichung des Satirefilms "The Interview" zu verhindern. In dem Film reisen zwei Journalisten nach Nordkorea, um unter dem Vorwand eines Interviews den Machthaber Kim Jong Un zu ermorden. Befürworter der aktuellen Wikileaks-Veröffentlichung argumentieren, dass an den Dokumenten ein öffentliches Interesse bestehe.

Und tatsächlich bilden die E-Mails ein aufwendiges Kommunikationsnetzwerk zwischen der US-amerikanischen Wirtschaft, der Politik und Vertretern des Kulturbetriebs ab. An den größten Knotenpunkten des Netzwerkes sitzen Michael Lynton, Vorstandvorsitzender von Sony Pictures und Amy Pascal, die ehemalige Co-Vorsitzende. Wie Wikileaks in einer Stellungnahme zur Veröffentlichung der Dokumente anmerkte, besaßen Lynton und Pascal bis zuletzt enge Verbindungen zur US-Regierung, der Demokratischen Partei in den USA und zur Denkfrabrik RAND. Der Einfluss habe laut Wikileaks soweit gereicht, dass Sony in der Lage gewesen sei, Gesetze zu beeinflussen.

Co-Vorsitzende musste nach Hackerangriff gehen

Die Verbindungen von Amy Pascal in die Politik brachen im Januar dieses Jahres jedoch aprubt ab. In einigen E-Mails, die Hacker zu diesem Zeitpunkt schon veröffentlicht hatten, hatte Pascal sich in abfälliger Weise über den US-Präsidenten Barack Obama geäussert. Aufgrund des öffentlichen Drucks musste Amy Pascal Sony verlassen. Zuvor hatte sich Pascal intensiv für eine politische Kampagne gegen den Iran eingesetzt. Pascal engagierte sich in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende des Unternehmens für die Nicht-Regierungsorganisation "The Israel Project". Die Organisation hat es zum Ziel, das internationale Bild von Israel in der Welt positiv erscheinen zu lassen. Doch eine Kampagne gegen das iranische Atomprogramm war eher darauf bedacht, andere Staaten zu diskreditieren als das Bild Israels zu schärfen. In E-Mails, die die Organisation an Pascal schickte, hieß es "Wenn der Iran die Atombombe baut, ist das die Terrorisierung der Atombombe". Doch Pascal ließ sich nicht nur über die Kampagne informieren, in einer E-Mail dankt ihr die Organisation auch für den (finanziellen) Einsatz: "Danke, dass Du unseren Kampf für Israels Zukunft unterstützt. Ohne dich könnten wir das nicht machen."

Der enge Austausch mit der Prominenz

Der Vorstandsvorsitzende Michael Lynton ließ sich wie auch Pascal regelmäßig über aktuelle politische Entwicklungen informieren. Doch ging es in den Memos und Briefings nicht um Entwicklungen, die im direkten Zusammenhang zur Firmentätigkeit von Sony Pictures standen. Das zeigt auch eine E-Mail-Korrespondenz, die Lynton zum Thema Islamischer Staat führte. An der Diskussion beteiligten sich neben ihm unter anderem der Musikproduzent und Manager der Rapgruppe Run DMC, Russell Simons, der Fernsehmoderator Ryan Seacrest sowie der Filmproduzent Ryan Kavanaugh.

Ziel der Unterhaltung sollte es sein, eine gemeinsame Kommunikationsstrategie zu finden, mit der man vor allem unter Jugendlichen der Propaganda des Islamischen Staates entgegenwirken könnte. Während Russell Simons für die Betonung eines friedvollen Untereinanders zwischen den Weltreligionen plädierte, schweifen andere Diskussionsteilnehmer immer wieder ab. So schreibt etwa die Schauspielerin Natalie Portman an Michael Lynton und dessen Frau: "Wie bin ich nur in diesen Verteiler geraten? Etwa durch Ryan Seacrest?". Lynton antwortet nur kurz "Das ist verrückt".

Auch private Korrespondenz veröffentlicht

Wikileaks hat neben diesem Schriftverkehr auch eine Korrespondenz von Michael Lynton mit seiner Tochter veröffentlicht. Auch darin geht es um den Islamischen Staat und die Konflikte im Nahen Osten. Während sich Lynton im Gespräch mit der Prominenz augenscheinlich zurückgehalten hat, wird er hier deutlicher: "Seien wir ehrlich: Das Ganze ist eine riesige Misere und wenn es nicht für Israel wäre, würden wir sie sich gegenseitig umbringen lassen und warten bis der Staub sich legt." Unklar ist, ob Lynton solche Zitate nicht nur privat, sondern auch in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender von Sony abgegeben hat.

Dass bei Sony Pictures über aktuelle politische Entwicklungen nicht nur diskutiert wurde, zeigt eine Budgetfreigabe, die ein Dokument aus der Wikileaks-Sammlung belegt. Der Sony-Mitarbeiter Curtis Crider gab demnach im Jahr 2014 75 Millionen Dollar frei, die auf zwei Jahre verteilt zu Zwecken der Versicherung gegen terroristische Angriffe auf Sony und seine Auslandsgesellschaften verwendet werden sollten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Versicherung auch für den Schaden durch den nordkoreanischen Hackerangriff eingesetzt wurde. Im Januar dieses Jahres hatte Michael Lynton der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass eine Versicherung die kompletten Schäden durch den Angriff abdecken würde. Experten hatten den Schaden auf etwa 100 Millionen Dollar geschätzt.

(ac)
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