Falsche Abgaswerte VW-Skandal: Regierung attackiert TÜV

Düsseldorf · Wieso sind die falschen Abgaswerte nicht aufgefallen? Bundesregierung und TÜV Nord schieben sich dafür gegenseitig die Schuld zu. Juristen wittern unterdessen ein großes Geschäft. Wir erklären, worauf Betroffene jetzt achten müssen.

VW-Konzern: Diese Automarken gehören zu Volkswagen
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Foto: dpa, woi vfd tmk

Der Abgasskandal bei Volkswagen sorgt für Streit zwischen Bundesregierung und TÜV Nord. Beide schieben sich den schwarzen Peter zu in der Frage, wieso die falschen Abgaswerte beim Autokonzern so lange nicht aufgefallen sind. TÜV Nord-Chef Guido Rettig hatte behauptet, die Regierung habe verhindert, dass seine Organisation ordentlich prüfe. "Wir haben jahrelang darauf hingewiesen, dass die Motorsoftware Teil unseres Prüfauftrags werden muss", sagte Rettig der "Welt". Ohne Erfolg.

Die Worte sind ein Frontalangriff gegen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Statt wirkungsvolle Prüfungen zu ermöglichen, habe sich das Ministerium lieber von der Auto-Lobby einlullen lassen, so der Vorwurf. Die Antwort auf diese Kritik ließ nicht lange auf sich warten. "Wir wollen vom TÜV wissen, wieso die falschen CO2-Werte bei VW nicht erkannt worden sind", sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Der TÜV Nord sei daher heute in die Untersuchungskommission des Ministeriums bestellt worden. Der VW-Skandal wird damit noch unübersichtlicher.

Welches Interesse verfolgt der TÜV Nord?
Kritiker unterstellen dem TÜV, mit dem Vorstoß versuche er lediglich, von eigenen Fehlern abzulenken. Im Verkehrsministerium soll die Verärgerung über den TÜV jedenfalls groß sein, heißt es, weil diesem bei den Prüfungen zahlreiche Dinge durchgegangen sein sollen. "Wenn über eine Weiterentwicklung der Prüfsysteme nachgedacht wird, dann sicherlich nicht in die Richtung, den TÜV Nord zu stärken", heißt es in Ministeriumskreisen.

Wäre eine Ausweitung der Prüfung auf die Motorsoftware sinnvoll? Laut TÜV Nord ja. Beim Automobil-Club ADAC ist man sich hingegen nicht so sicher, ob dies notwendig ist: "Eine Offenlegung der Steuerungssoftware ist für den ADAC nicht zwingend erforderlich", sagte ein Sprecher, "die Autos müssen aber in allen Betriebszuständen, bei mobilen Messungen auf der Straße und in der Realität die gesetzlichen Grenzwerte einhalten."

Ist inzwischen klar, wie viele Fahrzeuge tatsächlich betroffen sind? Während die Zahlen bislang immer weiter stiegen, könnte es nun in die andere Richtung gehen. Eigene Messungen der VW-Tochter Audi sollen ergeben haben, dass bei den Kohlendioxid-Werten anders als von VW verbreitet , nicht manipuliert worden ist. "Unsere Überprüfungen haben ergeben, dass der Audi A1 nicht betroffen ist", sagte ein Unternehmenssprecher unserer Redaktion. Die Prüfungen beim Modell A3 liefen derzeit noch. Aktuell stehen die Modelle noch auf den vom Mutterkonzern Volkswagen veröffentlichten Listen. Bei Audi hofft man jedoch, dass sich dies noch im Laufe der Woche ändern wird - erst müssten die Behörden jedoch noch grünes Licht geben.

Haben Betroffene Anspruch auf Schadenersatz?
Viele Anwälte suggerieren dies aktuell. So wirbt etwa die Düsseldorfer Kanzlei Baum, Reiter und Kollegen um betroffene VW-Kunden und bietet eine kostenlose Erstberatung. Weil das deutsche Recht keine Sammelklagen kennt, bündelt die Kanzlei zusammen mit einem Partner die Ansprüche von Autobesitzern und geschädigten Aktionären in einer niederländischen Stiftung. 47.000 Kunden vertritt sie nach eigenen Angaben - und hofft auf eine außergerichtliche Einigung mit VW. Denn vor Gericht wird es deutlich schwerer für VW-Kunden. Sie müssen den vermeintlichen Schaden jeweils dokumentieren, beweisen und dann geltend machen.

Was sagen Verbraucherschützer? Die sehen die Aktivitäten der Kanzleien nicht unkritisch. Noch könne nicht abschließend beurteilt werden, ob ein Gewährleistungsanspruch gegenüber dem Verkäufer bestehe, sagt Ineke Klaholz von der Verbraucherzentrale NRW. Wichtig sei zunächst, mögliche Verjährungsfristen zu klären. Die Verbraucherzentrale stellt dazu auf ihrer Homepage einen Musterbrief zur Verfügung.

(frin)
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