Nach der Abgas-Affäre Job-Sorgen überschatten VW-Betriebsversammlung

Wolfsburg · Nach der Abgas-Affäre sinken die Zahlen der Neuzulassungen in Deutschland – im November brachte VW erneut weniger Fahrzeuge auf die Straße als vor einem Jahr. Die VW-Beschäftigten bangen zunehmend um ihre Arbeitsplätze. Bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch appellierten Eigentümer und Betriebsrat an die Belegschaft, den Mut nicht zu verlieren.

Die Chronologie der VW-Übernahmeschlacht
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Foto: dapd, Lennart Preiss

Nach der Abgas-Affäre sinken die Zahlen der Neuzulassungen in Deutschland — im November brachte VW erneut weniger Fahrzeuge auf die Straße als vor einem Jahr. Die VW-Beschäftigten bangen zunehmend um ihre Arbeitsplätze. Bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch appellierten Eigentümer und Betriebsrat an die Belegschaft, den Mut nicht zu verlieren.

"Niemand darf den Kopf in den Sand stecken", sagte VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche bei der nicht öffentlichen Veranstaltung laut Redetext, der der Deutschen Presse-Agentur in Auszügen vorlag. "Niemand darf glauben, dass der Abgas-Skandal wie ein Gewitter vorbeizieht und danach wie aus heiterem Himmel wieder schönes Wetter kommt." Das Unternehmen könne die schwere Krise aber meistern: Mit einem konsequenten Handeln werde VW den Weg aus "dieser Lage finden".

Zu der zweiten Betriebsversammlung seit Ausbruch des Diesel-Debakels im September kamen nach Betriebsratsangaben bis zu 20.000 Mitarbeiter. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und der komplette Vorstand um VW-Chef Matthias Müller nahmen teil.

"Seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals sind beinahe elf Wochen vergangen. Ich kann Euch nur sagen: Das waren genauso wie für Euch auch für mich elf harte Wochen", betonte Betriebsratschef Bernd Osterloh. Bei vielen Mitarbeitern seien die Bedenken zuletzt nicht kleiner geworden. Doch es gebe auch Gründe für Zuversicht. So habe der Konzern für einen Großteil der in Europa zugelassenen Dieselwagen mit Betrugs-Software inzwischen technische Lösungen vorgestellt.

Die jüngsten Zulassungszahlen nähren jedoch Befürchtungen, die Krise könnte erst mit Verzögerung voll auf den Absatz durchschlagen. Nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamts waren die deutschen Neuzulassungen der Hauptmarke im November mit einem Minus von 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abermals rückläufig - im Oktober waren es schon minus 0,7 Prozent gewesen. Der Gesamtmarkt wuchs dagegen um 8,9 Prozent. In den USA bekam VW im November das Abgas-Debakel bereits stärker zu spüren. Die Verkäufe brachen dort im Jahresvergleich um fast ein Viertel ein.

Vor allem Leiharbeiter mit Zeitverträgen fürchten um ihre Zukunft bei VW. Auch die Ankündigung, dass die rund 120.000 festen Beschäftigten im Haustarif auf die sonst üblichen üppigen Bonuszahlungen verzichten müssen, belastet die Stimmung - ebenso wie der Beschluss verlängerter Weihnachtsferien mit längeren Produktionspausen.

"Es ist natürlich schade, dass man den Bonus nun nicht bekommt", sagte ein VW-Mitarbeiter der dpa. Es sei zwar eine Frage der Zeit gewesen, bis die Ausschüttung - zehn Prozent des operativen Ergebnisses der Pkw-Kernmarke - auch wieder einmal geringer ausfalle. "Aber dass das jetzt aufgrund solcher Umstände passieren muss, ist schon extrem bedauerlich. Da gibt es schon eine gewisse Wut."

Die Solidarität mit den Leiharbeits-Kollegen sei groß: "Das ist menschlich nicht schön." Man müsse aber bedenken, dass Kürzungen hier in Zeiten nachlassender Aufträge ein ganz normales Instrument seien. Bei der Kernmarke VW sind derzeit rund 7000 Leiharbeiter beschäftigt.

Wie begründet die Sorgen sind, zeigen auch Pläne für das Hauptwerk der leichten Nutzfahrzeuge in Hannover. Ende Januar sollen dort rund 300 Verträge auslaufen, berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" - weitere 500 sollen zunächst nur um drei Monate verlängert werden. Laut Osterloh hat dies nichts mit dem Diesel-Skandal zu tun - es sei der schlechten Nachfrage nach dem Pick-up Amarok geschuldet.

Für andere VW-Werke oder Töchter seien bislang keine vergleichbaren Entscheidungen zu auslaufenden Verträgen getroffen worden, sagte ein Konzernsprecher. "Es gelten alle bisher gemachten Zusagen." Zur Leiharbeit betonte Osterloh: "Für den Standort Wolfsburg kann ich jedenfalls für das erste Quartal noch Entwarnung geben. (...) Wir hoffen, dass uns die Kunden die Treue halten." Zumindest die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sind seien nicht gefährdet.

Auch Wolfgang Porsche bekräftigte, sich für die Jobs einzusetzen:
"Die Familien Porsche und Piëch stehen zur Beschäftigungssicherung bei Volkswagen durch ein stabiles und erfolgreiches Unternehmen."

Nach Angaben aus Konzernkreisen will sich Volkswagen noch in dieser Woche Zusagen für frisches Geld von Banken besorgen. Das Unternehmen plant eine "Brückenfinanzierung" über mehrere Milliarden Euro. Das könnte Anleger beruhigen, die wegen drohender Zahlungen für Strafen und Schadenersatz um das finanzielle Polster des Autobauers fürchten.

Eine solche Kreditaufnahme muss nicht zwangsläufig auf einen akuten Finanzierungsengpass hindeuten - sie kann etwa auch dazu dienen, noch unklare Kostenschätzungen oder die Rückzahlung ausgegebener Anleihen abzusichern. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, 13 Banken sollten jeweils Darlehen von 1,5 oder 2,5 Milliarden Euro gewähren.

(isw/dpa)
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