Victoria's Secret Das steckt hinter dem Erfolg der Unterwäsche-Engel

New York · Vor 20 Jahren fand die erste Victoria's Secret Modenschau statt. Inzwischen ist aus der Unterwäsche-Firma ein Milliardenimperium geworden. Wie konnte das passieren?

Victoria's Secret Show 2016: Die schönsten Engel in sexy Outfits
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Bunte Engel auf dem Laufsteg bei Victoria's Secret

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Foto: ap, FM

Welche Bedeutung die Marke "Victoria's Secret" inzwischen hat, erlebt man, wenn man durch die Straßen von Los Angeles schlendert. Mit einem Stern auf dem berühmten Walk of Fame haben sich hier die Größen des Film- und Showbusiness verewigt - und die Engel von Victoria's Secret. 2007 wurde das Unterwäsche-Unternehmen als erste Marke überhaupt mit einem Stern verewigt, das deutsche Topmodel Heidi Klum nahm die Ehrung damals stellvertretend mit einigen anderen Schönheiten in Empfang. Angezogen.

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Normalerweise sieht man die wichtigsten Mitarbeiter von Victoria's Secret nur in BH, Höschen und Flügeln. Auf den jährlichen Modeschauen zeigen die "Engel" die neusten Kollektionen. Wer es hier auf den Laufsteg schafft, gehört zu den ganz großen im Geschäft. Es ist ein Auftritt vor der ganzen Welt. Obwohl es sich bei der Modenschau im Grunde nur um eine schnöde Präsentation einiger neuer Produkte handelt, hat eine perfekt geölte Marketing-Maschinerie dafür gesorgt, dass die Show inzwischen zum 20. Mal einem Millionenpublikum präsentiert wird - und das zur besten Sendezeit.

Als Ray Raymond 1977 für seine Frau Unterwäsche in San Francisco kaufen wollte, trugen die Männer noch gerippt und die Frauen eher züchtig. Der Kauf für seine Frau war ihm unangenehm, zu unpersönlich. Also gründete er kurzerhand selbst ein Geschäft, in dem sich auch Männer wohlfühlten - und das nicht nur wegen der Auslage. Auch Einrichtung und Beratung sollten ansprechend sein. Dass aus dem kleinen Geschäft mal eine Kette mit knapp 1000 Filialen werden würde, hat Raymond aber wohl nicht geahnt. Andernfalls hätte er seine Läden wohl nicht für angeblich rund eine Million Dollar nach wenigen Jahren verkauft.

Heute ist die Marke, die zur Unternehmensgruppe L Brands gehört, ein Vielfaches wert. Denn die Geschäfte laufen gut. Allein in den vergagenen drei Monaten wurden Push-ups, Strings und Co. im Wert von rund 1,6 Milliarden Dollar umgesetzt. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Nicht nur die Unterwäsche, auch die Papiere ( wenn auch vom Mutterkonzern) sind beliebt. An der Börse stieg der Aktienkurs des Unternehmens innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 44 Prozent auf aktuell knapp 93 Dollar.

Kaum ein Unternehmen hat sich in seinem Segment einen solchen Ruf erarbeitet wie Victoria's Secret. Dank einem gezielten Markenaufbau haben die Kunden die Kernbotschaft längst verinnerlicht: Es gibt Unterwäsche - und es gibt Victoria's Secret. Wer dazugehören will, gibt daher auch bereitwillig mehr Geld für die Unterwäsche aus. Preise zwischen 30 und 60 Euro für einen BH sind keine Seltenheit. Eine Marke müsse das Lebensgefühl der Zielgruppe treffen, sagt Tobias Langner, Professor für Marketing an der Uni Wuppertal: "Gelingt das, wollen die Kunden mit einer Marke auch ihr eigenes Ich ausdrücken und entwickeln dadurch auch eine höhere Zahlungsbereitschaft."

Und natürlich geht preislich auch noch viel mehr: Höhepunkt des jährlichen Engel-Marschs über den Laufsteg ist der so genannte "Fantasy Bra", ein Büstenhalter, der so aufwendig mit Diamanten verziert wird, dass man ihn besser nicht in die 30-Grad-Wäsche packt. Erstmals trug Claudia Schiffer eines der Modelle 1996, danach lief Supermodel Heidi Klum dreimal bei der jährlichen Show mit dem "Fantasy Bra". In diesem Jahr wurde Lily Aldrigde die Ehre zuteil.

Mindestens eine Million kosten dieser besondere Büstenhalter, der im Jahr 2000 von Gisele Bündchen gezeigte "Red Hot Fantasy Bra" brachte es sogar auf 15 Millionen - Weltrekord. Es war der endgültige Durchbruch für die Unterwäsche-Präsentationen, im folgenden Jahr war die Show zum ersten Mal landesweit im Fernsehen zu sehen. Die Marketing-Experten von Victoria's Secret hatten es geschafft: Victoria's Secret war nicht nur eine Marke, sondern ein Ereignis. Dass die superteuren Fantasy-Dinger Jahr für Jahr zu Ladenhütern werden und daher in der Regel anschließend wieder auseinandergenommen werden, stört dabei keinen. "Starke Marken setzen systematisch psychologische Beeinflussungsmittel ein. Sie etablieren eine Einzigartigkeit verbunden mit hoher Qualität. Das weckt Begehrlichkeiten und führt dazu, dass man darüber spricht", sagt Langner.

Das Prinzip ist dabei im Grunde simpel: Verknappung. Um Aufmerksamkeit zu erzeugen, geht es jedoch nicht nur um weniger Stoff und mehr Haut. Weil es vor den Veranstaltungen nur wenige Informationen gibt, fangen die Fans der Marke an zu rätseln: Wer läuft mit? Was wird gezeigt? "Die Begehrlichkeit muss durch einen Spannungsbogen weiter aufgebaut werden", sagt Tobias Langner: Erst komme die Verknappung, dann der große Knall.

Das gilt auch für die jährlichen Shows, für die es nur wenige Plätze gibt. Einige sind für Promis reserviert, um dem Schaulaufen der Topmodels einen entsprechenden Rahmen zu geben. Der Rest geht an Medienvertreter. 1000 Plätze waren beispielsweise 2012 für sie reserviert, Anmeldungen gab es jedoch laut einem Unternehmenssprecher mehr als zehnmal so viele.

Victoria's Secret sendet damit eine klare Botschaft: Du bist dabei, du gehörst dazu. Es ist das Prinzip, dass auch der iPhone-Hersteller Apple anwendet. Negative Berichterstattung soll dort auch schon mal dazu führen, dass man nicht mehr eingeladen wird. Wer dabei sein will, berichtet also lieber positiv, wenn er es nicht sowieso schon tut, weil er ein so genannter Fanboy ist und die Marke liebt.

Das hilft, die weltweite Berichterstattung zu beeinflussen. Trotzdem sollte man nichts dem Zufall überlassen. Das erlebte die Unterwäsche-Marke 2004. Als Janet Jackson beim Superbowl live im Fernsehen ihren Brust entblößte, ging ein Aufschrei der amerikanischen Sittenwächter durchs Land. Der "Nippelgate" war wochenlang Thema. Vorsichtshalber sagte Victoria's Secret die eigene Show lieber ab.

Dabei sind unerwünschte Bilder auf dem Bildschirm so gut wie ausgeschlossen. Zweimal wird die Sendung nacheinander aufgezeichnet - um am Ende perfekte Bilder für das Fernsehspektakel zu haben.

(frin)
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