Düsseldorf Telekom spitzelte trotz Warnung

Düsseldorf (RP). Ein renommierter Anwalt riet der Telekom im August 2005 davon ab, Telefonverbindungen illegal zu erheben, um Aufsichtsräte zu bespitzeln. Das absurde Ergebnis: Die konzerneigene Sicherheitstruppe begann richtig zu schnüffeln.

Das Gutachten vom 17. August 2005 kam "vertraulich" per Boten bei der Telekom an. Autor war der Kölner Anwalt Walther Graf. Das 10-seitige Papier war so brisant, dass es bis jetzt geheim blieb. Graf erläutert genau, warum die konzerneigene Sicherheitsabteilung auf keinen Fall die Telefondaten von Aufsichtsräten untersuchen dürfe, die der damalige Oberaufseher Klaus Zumwinkel und der damalige Vorstandschef Kai-Uwe Ricke verdächtigten, Geheimnisse an Journalisten auszuplaudern.

Es drohe wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses "Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren". Anstatt weiter illegal zu ermitteln, sollte das Unternehmen des Verrates verdächtige Personen bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Die könne dann eine legale Telefonüberwachung veranlassen.

Es kam anders. Niemand wurde angezeigt, immer mehr wurde geschnüffelt. Und Europas größter Telefonkonzern leidet nun seit 18 Monaten unter den Folgen der im Mai vergangenen Jahres erstmals vom "Spiegel" enthüllten Affäre. Dabei bringt das nun bekanntgewordene Papier neue Dynamik in das Verfahren: Dem Hauptverdächtigen, dem früheren Telekom-Sicherheitsmanager Klaus Trzeschan, droht nun eine besonders harte Strafe.

Denn trotz des klaren Rats des an ihn persönlich gesandten Gutachtens ermittelte er weiter auf eigene Faust. Er ließ Telefondaten von möglicherweise dutzenden Personen erfassen — und das nach Recherchen der Bonner Staatsanwaltschaft bis Frühling 2006. Der Düsseldorfer Strafrechtsprofessor Helmut Frister: "Diese Missachtung der expliziten Warnung vor der Strafbarkeit dürfte bei einer Verurteilung zu Lasten des Angeklagten bewertet werden."

Aber auch für Zumwinkel und Ricke wird es eng: Bis Weihnachten will die Staatsanwaltschaftentscheiden, ob sie die beiden einst mächtigsten Männer des T-Konzerns ebenfalls vor Gericht stellt. Und auch sie haben sich durch juristischen Rat indirekt selbst belastet: So hatte Zumwinkel den renommierten Düsseldorfer Anwalt Michael Hoffmann-Becking als Berater angeheuert. Und der hat der Staatsanwaltschaft berichtet, bei einem Gespräch von ihm mit Ricke und Zumwinkel seien erfasste Telefondaten eines Aufsichtsrates erwähnt worden.

"Ich konnte ihren Reaktionen jedoch nicht entnehmen, dass ein irgendwie geartetes Unrechtsbewusstsein über die Erhebung der Verbindungsdaten vorgelegen hätte", heißt es in der unserer Zeitung bekannten Aussage. Das Ergebnis, so ein guter Kenner der Ermittlungen: "Eine Anklage gegen Zumwinkel und Ricke scheint alleine wegen dieser Aussage fast unvermeidbar."

Damit könnte nächstes Jahr erneut ein spektakulärer Wirtschaftsprozess die Republik erschüttern. Zumwinkel droht Haft. Denn er bekam schon wegen Steuerhinterziehung zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung. Wird er nun erneut verurteilt, wird wahrscheinlich eine Gesamtstrafe gebildet. Das wäre wohl Haft ohne Bewährung.

Nicht ganz so schlimm sieht es für Ricke aus: Da der 48-jährige keine Vorstrafen hat, würde eine Haftstrafe sicher auf Bewährung ausgesetzt — sofern er nicht gleich eine Geldbuße kriegt oder am Ende ohne Verurteilung wegkommt. Sein Vorteil: Er scheint relativ wenig unmittelbaren Kontakt zu Trzeschan gehabt zu haben. Mehrere Treffen von Zumwinkel mit Trzeschan scheinen dagegen sicher.

Ricke weist Mitwissen an illegalen Aktionen zurück. Ob das so ist, muss geklärt werden. Fragwürdig ist aber, wie er in einem aktuellen Interview die Spitzeleien relativiert. Man habe nicht "aus Paranoia gehandelt, sondern um dem Insider-Gesetz zu genügen." Zumindestens das Gutachten sagt klar, was von solchen Rechtfertigungen zu halten ist: "Lediglich die Anzeigepflicht für geplante schwerwiegende Straftaten nach Paragraph 138 Strafgesetzbuch hat Vorrang vor dem Fernmeldegeheimnis."

Worum es da geht? Um die Vorbereitung eines Krieges, Hochverrat, Mord, Erpressung oder andere "gemeingefährliche Straftaten." Plaudereien von Aufsichtsräten gehören nicht dazu.

(RP)
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