Netzagentur-Chef Jochen Homann "Strompreise steigen nicht mehr so schnell"

Bonn · Jochen Homann, der Chef der Bundesnetzagentur in Bonn, ist der Herr der deutschen Netze: Seine Behörde reguliert nicht nur das Strom- und Gasnetz, sie wacht auch über Bahn, Post und die Telekommunikationsbranche.

 Jochen Homann ist der Chef der Bundesnetzagentur.

Jochen Homann ist der Chef der Bundesnetzagentur.

Foto: ud

Herr Homann, am 1. August tritt die Reform der Ökostrom-Förderung in Kraft. Wird dadurch nun der Strompreisanstieg gestoppt?

Homann Die EEG-Novelle kann die Kostendynamik brechen. Das heißt nicht, dass die Strompreise sinken, aber sie werden nicht mehr so schnell steigen. Natürlich gibt es das Risiko, dass immer mehr Bürger und Unternehmen zu Eigenstromproduzenten werden, sich aus der solidarischen Ökostrom-Finanzierung verabschieden und dadurch die EEG-Umlage steigt. Deshalb war es auch richtig und sinnvoll, dass neue Eigenstrom-Erzeuger ab August 30 Prozent der EEG-Umlage bezahlen sollen.

War es richtig, die kleinen PV-Anlagen unter 10 Megawatt weiter von der Ökostrom-Umlage auszunehmen?

Homann Je mehr Ausnahmen man zulässt, desto schwerer erreicht man sein Ziel. Auch die wachsende Zahl der kleinen Stromverbraucher trägt dazu bei, dass die Umlage tendenziell steigt, das System insgesamt eher destabilisiert wird und zum Beispiel Stadtwerke in Schwierigkeiten geraten.

Die staatlich garantierten Vergütungen für den Ökostrom sollen ab 2017 durch Ausschreibungen ersetzt werden. Warum ist das sinnvoll?

Homann Damit wir künftig nicht mehr nur abwarten, wie die Investoren auf die festgelegte Förderhöhe reagieren und uns dann wundern, dass diese zu vie-le oder zu wenig EEG-Anlagen hervorbringt. Ausschreibungen sind ein Weg zu einer direkten Mengensteuerung des EEG-Zubaus. Das hat dann auch wieder Vorteile für die Netzbetreiber, die deutlich besser planen können, wann und wo sie die Netze zu ertüchtigen haben. Wichtig und sehr zu begrüßen ist auch, dass wir bei der Vermarktung des produzierten Stroms von dem Motto: "Produce and Forget" wegkommen. Durch die verpflichtende Direktvermarktung werden die Anlagenbetreiber künftig darauf achten müssen, wie sich der Markt entwickelt und wie sie sich in einem sich stetig veränderndem Wettbewerb positionieren.

Wie weit sind Sie mit dem Netzausbau?

Homann Als Grundlage ist zunächst das Energieleitungsausbaugesetz von 2009 zu sehen, bei dem die dafür verantwortlichen Bundesländer in letzter Zeit erfreuliche Fortschritte machen. Dies ist als das Startnetz für den Bundesbedarfsplan aus dem vergangenen Jahr anzusehen, in dem neben vielen anderen Leitungen auch der Bedarf in 2022 für die drei großen Stromautobahnen von Nord nach Süd gesetzlich bestätigt worden ist. Wir warten jetzt, dass uns die Übertragungsnetzbetreiber dafür konkrete Anträge auf den Tisch legen. Das wird allerdings wohl nicht vor dem vierten Quartal 2014 passieren.

Verstehen wir das richtig: Von den 2650 Netzkilometern, die bis 2023 neu gebaut werden müssten, ist noch kein einziger fertig?

Homann In der Tat sind bislang nur wenige Kilometer gebaut worden, die im Bundesbedarfsplan stehen. Ich gehe aber davon aus, dass die Netzbetreiber das rechtzeitig schaffen werden. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Die Länder haben jedenfalls die Kompetenz für die Genehmigungsverfahren beim Netzausbau länder- bzw. grenzüberschreitender Leitungen an uns abgetreten mit dem Ziel, eine Beschleunigung der Verfahren zu erreichen.

Warum brauchen wir den Konverter am Niederrhein, gegen den zahlreiche Bürgerinitiativen mobilisieren?

Homann Der Sinn eines Konverters ist, aus Gleichstrom Wechselstrom zu machen und umgekehrt. Diese Stromleitung im Westen Deutschlands, die in Emden beginnt und in Philippsburg endet, hat eine Abzweigung mit dem Konverter im Rhein-Ruhr-Gebiet aus zwei guten Gründen: Auch der Westen Deutschlands soll erneuerbare Energien nutzen können. Und für den Fall, dass an der Nordsee nicht ausreichend Wind weht, soll der Süden mit ausreichend Strom versorgt werden können, wenn die Atomkraftwerke in Baden-Württemberg abgeschaltet sind. Notfalls können wir mit Hilfe des Konverters Strom aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet in die neue Stromautobahn einspeisen.

Die Bürgerbegehren gegen den Konverter lassen Sie kalt?

Homann Natürlich nicht, ganz im Gegenteil. Aber mit den Bürgerinitiativen wurde ein sehr gutes Verfahren gefunden: Der Netzbetreiber Amprion hat einen offenen Diskussionsprozess über den genauen Standort des Konverters in Gang gesetzt. Im Augenblick sind sechs Standorte in der Diskussion: Neben einem Standort in Meerbusch-Osterath sind dies weitere Standorte in den Gemeindegebieten Dormagen, Grevenbroich, Neuss und Rommerskirchen, wobei Amprion sich offen für weitere qualifizierte Vorschläge zeigt. Bis Ende des Jahres soll es eine Entscheidung geben. Niemand hat mehr den Eindruck, er würde übergangen und nicht beteiligt.

Wie stark werden Sie bei den Stromautobahnen auf Erdkabel setzen?

Homann Der Gesetzgeber hat die Erdverkabelungs-Möglichkeiten aktuell mit der EEG- Reform deutlich erweitert. An allen neuralgischen Punkten von Gleichstrom-Leitungen können wir jetzt mit den Bürgerinnen und Bürgern über Erdkabel reden. Dafür müssen aber Kriterien eingehalten werden: Erdverkabelung kommt nur infrage, wenn bestimmte Abstände zu Wohngebieten unter-schritten werden und wenn Erdkabel sich als technisch und wirtschaftlich effizient darstellen. Wir müssen dabei beachten: Gleichstrom-Erdkabel auf dieser Spannungsebene und mit der vorgesehenen Übertragungskapazität sind bei der so genannten selbstgeführten HGÜ, die wir in Deutschland bauen und brauchen, technisches Neuland, auch weltweit.

Bis 2018 soll für alle deutschen Haushalte schnelles Internet von 50 Megabit pro Sekunde verfügbar sein.

Homann Richtig. Das ist ein zentrales und wichtiges Projekt der Bundesregierung, was eine große Herausforderung darstellt. Aber Minister Dobrindt ist hier bereits sehr aktiv, was ich als sehr positiv empfinde.

Wie weit sind die Vorbereitungen einer Frequenzversteigerung, mit der auf dem Land schnelles Internet über Funk möglich werden soll?

Homann Die Bundesnetzagentur strebt an, schnellstmöglich ein Vergabeverfahren für die Frequenzen in den Bereichen 900 MHz und 1800 MHz und weiterer Frequenzen für mobiles Breitband zu eröffnen. Es ist vorgesehen, ein offenes, transparentes, diskriminierungsfreies Verfahren noch im 4. Quartal 2014 zu eröffnen, um den Marktteilnehmern frühzeitig die notwendige Rechts- und Planungssicherheit für den weiteren Ausbau von Breitband-Funknetzen zu geben. Zudem muss noch geklärt werden, wie die Erlöse der Frequenzversteigerungen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Da sind jeweils auch die Finanzminister im Boot, die natürlich eigene Interessen vertreten. Am Ende gilt aber, dass die Bereitschaft auf allen Seiten groß ist, sich des Themas "mobiles Breitband" anzunehmen.

Mit welcher Erlössumme rechnen Sie? Schätzungen halten rund eine Milliarde Euro für möglich.

Homann Eine Prognose kann sicherlich niemand treffen. Die Größenordnung könnte stimmen, kann aber nicht vorhergesagt werden.

Die Deutsche Post soll erneut eine Portoerhöhung für normale Briefe erwägen. Würden Sie das genehmigen?

Homann Die Deutsche Post AG hat zu Jahresanfang das Entgelt für den Standardbrief auf 60 Cent erhöht. Grundlage dafür war die Price-Cap-Entscheidung der Bundesnetzagentur. Diese Entscheidung bestimmt auch die möglichen Preismaßnahmen der kommenden Jahre. Dass die Post sich Gedanken macht, ob und welche Änderungsspielräume für 2015 bestehen, ist verständlich. Nach meiner Einschätzung ist der Spielraum für eine sinnvolle Preismaßnahme aber viel zu gering, es sei denn, die Post senkt die Porti für andere Sendungsformate.

(mar)
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