Gesetz gegen sexistische Werbung "Als Branche wollen wir nackte Haut nutzen dürfen"

Düsseldorf · Bundesjustizminister Heiko Maas stößt mit seinem Vorstoß gegen sexistische Werbung auf Gegenwind. Politiker werfen dem SPD-Politiker "Spießigkeit" vor. Auch die Branche hält nichts von seinem Vorschlag.

 Um solche Streitfälle geht es unter anderem: Ist diese Werbung eines Elektronik-Discounters noch in Ordnung?

Um solche Streitfälle geht es unter anderem: Ist diese Werbung eines Elektronik-Discounters noch in Ordnung?

Foto: Screenshot, Redcoon

"Heiko Maas geht den nächsten Schritt zum Nannystaat, der den Bürgern nichts zutraut und Verbraucher für unmündig hält" — das FDP-Chef Christian Lindner zu den Plänen des Justizministers, Nacktheit und sexualisierte Werbung aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Auch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) ist gegen ein Verbot, und die Werbebranche bezeichnet die Initiative gegen sexistische Werbung als "komplett unsinnig".

Auch in Düsseldorf wird über das Thema gesprochen. Christian Rätsch von der Werbeagentur Saatchi und Saatchi ist gegen den Vorstoß von Heiko Maas.

Herr Rätsch, was darf Werbung?

Rätsch Werbung darf gefallen und verkaufen, aber niemals diskriminieren. Diskriminierung bedeutet die Absicht, Nacktheit zu missbrauchen. Fälle, in denen es eine sexistische Absicht hinter der Kampagne gibt, sind selten. Ich finde es falsch, Nacktheit pauschal zu verbieten. Ein Beispiel ist die Anti-Brustkrebs-Kampagne (der Organisation Pink Ribbon, Anm. d. Red.) , die mehrere nackte Brüste zeigte mit dem Slogan ,Check it before it's removed'. Google hat diese Kampagne aus den Suchergebnissen gelöscht, sein Algorithmus sortierte das Anzeigemotiv als ,sexistisch' aus. Daher bekommt der Slogan sogar eine doppelte Bedeutung. Für mich ist das ein Beispiel dafür, dass ein Algorithmus nicht in der Lage ist, die Botschaft einer Kommunikation zu beurteilen. Werbung ist auch immer Abbild des Zeitgeists.

An welche gesetzlichen Vorgaben müssen sich Werbeagenturen in Deutschland halten — und sind diese ausreichend?

Rätsch Wir haben funktionierende Organe wie den Deutschen Werberat, der Verfehlungen in der Werbung rügt, etwa wenn Werbung sinnfreie Klischees bedient ohne einen Zusammenhang mit dem Produkt. Natürlich gibt es Gesetze, an die wir uns halten und die auch Sinn ergeben. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb regelt etwa, dass man keinen Dritten schädigen darf. Das Werbeverbot für Tabak finde ich persönlich bedenklich, ist aber auch sinnvoll, genauso wie die Einschränkungen für Alkoholwerbung oder Bestimmungen des Jugendschutzes.

Wie entscheidet eine Agentur, wie weit man gehen kann, wenn es um Freizügigkeit von Frauen und Männern geht?

Rätsch Das entscheidet jede Agentur für sich selbst. Für uns sind die Zielgruppe und der Markt entscheidend. Der Markt ist ein Seismograph. Ich bin sicher, dass wir in der Vergangenheit auch mit nackter Haut geworben haben. Wir machen Werbung für Waschmittel, Deo und Parfüm. Wie sollen wir dafür Werbung machen, ohne den Anwendungsfall zu zeigen?

Was würde ein derartiges Verbot für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werbeagenturen bedeuten?

Rätsch Wir sind nicht auf nackte Haut angewiesen. Es geht um die Signalwirkung, die das Gesetz hätte. Als Branche wollen wir nackte Haut nutzen dürfen, wenn sie angemessen ist. Ein Gesetz würde der freien Kommunikation schaden. Ich finde es unmöglich, das in Zusammenhang mit der Kölner Silvesternacht zu stellen (Das Justizministerium begründete den Vorstoß mit den Vorfällen in der Silvesternacht, Anm. d. Red.). Der Zusammenhang ist grotesk.

Glauben Sie, dass es ein solches Gesetz geben wird?

Rätsch Ich denke, das Gesetz kommt nicht durch geschweige denn, dass es erfolgreich wäre.

 Christian Rätsch ist CEO der Werbeagentur Saatchi und Saatchi in Düsseldorf.

Christian Rätsch ist CEO der Werbeagentur Saatchi und Saatchi in Düsseldorf.

Foto: Saatchi und Saatchi

Christian Rätsch ist CEO der Werbeagentur Saatchi und Saatchi. Die Agentur hat ihren deutschen Hauptsitz vor kurzem nach Düsseldorf verlegt, zuvor war sie in Frankfurt ansässig. Die Agentur ist weltweit tätig und beschäftigt 6500 Mitarbeiter in 80 Ländern.

(jnar)
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