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Interview mit Unternehmenschef Peer Schatz Qiagen schließt Standorte

Düsseldorf · Der Chef des Biotech-Unternehmens, Peer Schatz, erläutert, warum Qiagen sparen muss, wie Hilden betroffen ist und wie es aufwärts gehen kann.

Qiagen schließt Standorte
Foto: Qiagen

Im dritten Quartal ist der Konzerngewinn von Qiagen weiter zurückgegangen, nach neun Monaten summiert sich der Rückgang nun auf elf Prozent. Was ist da los?

Schatz Unser Umsatzwachstum ist auf Mehrjahreshoch und unsere Gewinne, bereinigt um Zukäufe, ebenfalls. Qiagen hat nach vier Jahren harter Arbeit und einer grundlegenden Transformation nun einen deutlichen Aufschwung vor sich. Gerade das dritte Quartal zeigt dies eindrucksvoll. Qiagen hatte in den vergangenen Jahren darunter gelitten, dass der US-Markt für eines unserer zentralen Produkte — den Test auf Gebärmutterhalskrebs (HPV-Test) — aufgrund massiven Preisverfalls zusammengebrochen war. Der Umsatzanteil des US-Geschäfts mit HPV-Tests sank, obwohl wir immer noch marktführend sind, von früher 20 Prozent auf heute nur noch zwei Prozent. Die Zeit des rückläufigen HPV-Geschäfts liegt jetzt hinter uns, und gleichzeitig ist es uns gelungen, das Unternehmen mit neuen Initiativen und Produkten in eine neue Wachstumsphase zu führen.

Parallel sparen Sie nun massiv. Am Donnerstagmorgen gab es eine Betriebsversammlung. Welche Standorte wollen Sie schließen und wie viele Mitarbeiter sind betroffen?

Schatz Wir informieren unsere Mitarbeiter immer zeitnah über die Quartalsergebnisse und die Konzernentwicklung. Die Anzahl an Mitarbeitern und Ausgaben stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich, wir haben heute über 4600 Mitarbeiter. Wir werden auch in einem Jahr mehr Mitarbeiter haben als heute. Es geht bei den angesprochenen Initiativen nicht ums Sparen, sondern darum, unsere Abläufe effizienter zu gestalten. Wir wollen möglichst viele Ressourcen für Investitionen in zukünftiges Wachstum einsetzen. Dazu werden wir unter anderem unser Call Center bei Los Angeles schließen, das wir seit 25 Jahren haben. Davon sind 70 bis 80 Mitarbeiter betroffen. Zudem werden wir einen Forschungsstandort in der Nähe von Zürich schließen und rund 100 Mitarbeiter in eine neue Gesellschaft ausgliedern.

Was wird aus dem Standort Hilden?

Schatz Qiagen bleibt natürlich weiter in Hilden, der Standort wird auch weiter wachsen. Wir werden dazu auch noch Forscher aus aller Welt nach NRW holen. Hier haben wir beste Bedingungen, die Nähe zu Universitäten und eine gute Verkehrsanbindung. In Hilden sind aufgrund der Umstrukturierungen rund 70 Mitarbeiter betroffen, ihre Stellen werden an andere Standorte verlegt oder fallen weg. Das sind sowohl Stellen in Forschung als auch im Marketing oder Vertrieb.

Wird es Kündigungen geben?

Schatz Nein, der Abbau wird sozialverträglich erfolgen. Einem großen Teil der Mitarbeiter können wir Arbeit in anderen Bereichen, oder an anderen Standorten anbieten. Mit den übrigen sprechen wir über Auflösungsverträge. Insgesamt wollen wir durch unser Effizienzprogramm einen zweistelligen Millionenbetrag für Investitionen in mehr Wachstum freisetzen.

Ist Qiagen raus aus der Krise?

Schatz Naja, von Krise konnte man auch in den vergangen Jahren nicht sprechen, wir sind jedes Jahr beim Gewinn und Umsatz gewachsen. Wir haben uns zudem als Antwort auf die Probleme in den USA grundlegend transformiert. Ohne das HPV-Geschäft wachsen wir bereits wieder mit deutlich zweistelligen Raten. Zu unseren Wachstumsmotoren zählt der Test auf latente Tuberkulose, mit dem wir bereits 140 Millionen Dollar Umsatz im Jahr machen, und der "Genereader". Letzterer erlaubt es Kliniken unter anderem, per Gensequenz-Analyse die Schwachstellen bei einzelnen Tumoren sehr genau zu ermitteln, um diese dann sehr zielgerichtet zu behandeln. Die Technologie hat großes Potenzial in der personalisierten Medizin und darüber hinaus.

Doch auch hier gibt es Ärger mit einem Wettbewerber, der Ihnen vorwirft, mit dem "Genereader" ein Patent verletzt zu haben. Vor einem US-Gericht hat er vorläufig Recht bekommen.

Schatz Wir halten die Vorwürfe für absolut unberechtigt und hoffen, das US-Gericht in der Hauptsache-Verhandlung davon überzeugen zu können, dass der Genereader auf eigenen Technologien beruht. Unsere Lösung ist einzigartig und hängt nicht an einem Gerät, das zeigt auch die äußerst starke Nachfrage von Kunden weltweit. Allein in USA pausieren wir derzeit, wir sind aber sehr zuversichtlich, in Kürze auch diesen Markt wieder voll bedienen zu können.

Derzeit tobt der Wahlkampf in den USA. Welchen neuen US-Präsidenten fürchten Sie mehr?

Schatz Was wie absurdes Theater aussieht, ist für die Wirtschaft alles andere als lustig, da der amerikanische Markt von höchster Bedeutung ist. Die Pläne von Donald Trump zu Forschung und Gesundheit sind sehr schwammig. Hillary Clinton hat große Probleme mit Pharmafirmen, sie hat bereits angekündigt, dass sie gegen Auswüchse bei der Preisgestaltung vorgehen wird. Diagnostik-Unternehmen, zu denen QIAGEN zählt, könnte sie jedoch stärker unterstützen, da bessere Diagnosen zu besseren Behandlungen und Ressourcenverteilungen, und daher zu Kostensenkungen, führen könnten. Weder der eine noch der andere Kandidat ist für die Wirtschaft sicher einschätzbar.

Sorgen Sie sich auch wegen des Brexits?

Schatz Kurzfristig mögen wir vom Pfundverfall profitieren. Als Forschungsanbieter aber könnten wir mittelfristig darunter leiden, dass die britischen Forscher nach einem EU-Austritt nicht mehr den unbeschränkten Zugang zu Fördermitteln, Proben und Studien der EU-Kollegen haben werden. QIAGEN macht vier Prozent seines Umsatzes in Großbritannien, Manchester ist unser zweitgrößter Standort in Europa mit fast 300 Mitarbeitern. Als Schweizer weiß ich, dass Tausende Einzelverträge für ein Land nicht so effektiv sind wie die Mitgliedschaft in der EU. Aus Sicht der Wissenschaft und Forschung in Großbritannien war das Votum für den Brexit sicherlich kein Vorteil.

Die Qiagen-Aktie steigt. Wird es doch noch etwas mit dem Aufstieg in den Dax?

Schatz Von der Marktkapitalisierung her sind wir ein Dax-Kandidat, doch da sich unser Handel auf die US-Börse Nasdaq und die deutsche Börse verteilt, der Anteil des in Deutschland getätigten Handelsvolumens zu gering. Das ist der relativ kleine Preis dafür, dass wir Zugang zu beiden Kapitalmärkten haben.

Qiagen zahlt traditionell keine Dividende. Bis 2017 wollen Sie Aktien zurückkaufen, um die Aktionäre zu erfreuen. Wird das nach Plan klappen?

Schatz Ja, zumal wir uns mit großer Unterstützung der außerordentlichen Hauptversammlung für ein schnelles Verfahren entschieden haben, bei dem der Rückkauf durch Zusammenlegung von Aktien und Barauszahlung an alle Aktionäre im Januar erfolgt, so dass sich der Prozess nicht über Monate hinzieht.

Sie haben einen unbegrenzten Vertrag. Wollen Sie Qiagen auch weiter führen?

Schatz Ich bin zwar schon seit 25 Jahren bei Qiagen und damit wie man mir einmal sagte, einer der dienstältesten Chef eines börsennotierten Unternehmens, allerdings haben wir nun einen sehr attraktiven Plan vor uns und unser Team und ich auch freuen uns auf die kommenden Jahre.

Das Gespräch führte Antje Höning.

(anh)
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