Stahlbranche Politik mischt bei Thyssenkrupp-Deal mit

Düsseldorf · Der indische Stahlhersteller Tata Steel verhandelt über einen Einstieg bei der Stahlsparte der Essener. Trotzdem ist die Möglichkeit einer deutschen Fusion noch nicht vom Tisch.

Stahlbranche: Politik mischt bei Thyssenkrupp-Deal mit
Foto: Weber

Als sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in dieser Woche schützend an die Seite der deutschen Stahlindustrie stellte und ihr Unterstützung im Kampf gegen Billig-Stahl aus China und die Emissionspläne der EU-Kommission zusicherte, da schnellten die Aktienkurse von Thyssenkrupp und Salzgitter nach oben.

Als dann noch die europäische Tochter des indischen Stahlkonzerns Tata Steel ankündigte, man werde alle oder einen Teil der Werke in Großbritannien verkaufen, war für die Analysten bei der Berenberg Bank klar: Die Chancen für eine Marktkonsolidierung sind drastisch gestiegen. "Ein Zusammengehen von Tata Steel und Thyssenkrupp könnte unserer Meinung nun mehr als eine Hypothese sein", schrieben die Experten der Hamburger Privatbank. Tatas wertvollster Absatzmarkt sei die Automobilbranche - genau wie bei Thyssenkrupp. "Eine mögliche Konsolidierung zwischen den beiden europäischen Stahl-sparten der Konzerne würde dem neuen Konstrukt einen größeren Preisspielraum und bessere Absatzchancen ermöglichen."

Was die Analysten da prophezeiten, ist offenbar schon viel weiter fortgeschritten als bislang bekannt. Die Gespräche zwischen Thyssenkrupp Steel Europe und den Indern sollen bereits seit längerem laufen, wie unsere Redaktion aus Berliner Regierungskreisen erfuhr. Es gebe ein "klares und konkretes" Interesse der Inder.

Allerdings wäre das offenbar favorisierte Joint-Venture zwischen Tata und Thyssenkrupp nur eine Varian-te. Es gebe aber auch noch eine zweite Option, sollte das Geschäft mit den Indern nicht zustandekommen: ein Zusammenschluss der Salzgitter AG und der Thyssenkrupp-Stahlsparte zu einem deutschen "Stahlgiganten".

Das Problem: Die kleinere Salzgitter AG könnte bei einer Fusion mit Thyssenkrupp Jobs verlieren. Das Land Niedersachsen ist Miteigentümer der Salzgitter AG. Aufsichtsrats-Chef ist der niedersächsische Finanzminister Hans-Jürgen Schneider (SPD), gebürtig aus Salzgitter und früher Arbeitsdirektor des Stahlkonzerns. Er hat sich intern bereits skeptisch zu einer solchen Fusion geäußert. Die Sorge in der niedersächsischen Landesregierung ist groß, dass es vor der nächsten Landtagswahl zu einem Kahlschlag bei dem wichtigen Konzern kommt.

Und mit dem Bundeswirtschaftsminister selbst steht ein weiterer wichtiger Politiker angeblich einer deutsch-deutschen Fusion skeptisch gegenüber, denn die niedersächsische Stadt liegt in Gabriels Bundestagswahlkreis. Zu den Planspielen bei Thyssenkrupp will man sich in seinem Berliner Ministerium nicht äußern, intern heißt es jedoch, dass der "Konsolidierungsdruck" des Essener Konzerns bekannt sei.

In Branchenkreisen heißt es unterdessen, sollten die Tata-Gespräche konkreter werden, könne auch der Druck auf Salzgitter und damit auch auf die Politik steigen, die ungeliebte deutsche Stahlgiganten-Lösung wieder ernsthafter in Betracht zu ziehen.

Im Arbeitnehmerlager ist die Anspannung angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation der Branche gewaltig. Gerade erst hatte eine Studie der Prognos AG im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung Stahl ein Szenario entworfen, wonach die Pläne der EU-Kommission für eine Verschärfung des Emissionshandels 380.000 Jobs bis 2030 kosten könnte und der Volkswirtschaft Einbußen von 30 Milliarden Euro bescheren würde.

Für kommenden Montag hat die IG Metall bundesweit zu einem Stahl-Aktionstag unter dem Motto "Stahl ist Zukunft" aufgerufen. In Duisburg werden Tausende Stahlarbeiter zur Kundgebung vor der Hauptverwaltung von Thyssenkrupp Steel erwartet. Mit dabei sind IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der Bezirksleiter von Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler, und natürlich auch die Politik in Person von Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

(RP)
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