Start des Ausbildungsjahres 40.000 Lehrstellen in NRW unbesetzt

Düsseldorf · Kurz vor Start des Ausbildungsjahres schlägt die Wirtschaft in NRW Alarm. Viele Ausbildungsplätze sind noch nicht besetzt. Die Arbeitgeber müssen im anziehenden Wettbewerb kreativer werden – etwa mit kostenfreien Tablets.

 Ausbildungsplatz im Chempark in Dormagen. (Archivbild)

Ausbildungsplatz im Chempark in Dormagen. (Archivbild)

Foto: JAZ

Kurz vor Start des Ausbildungsjahres schlägt die Wirtschaft in NRW Alarm. Viele Ausbildungsplätze sind noch nicht besetzt. Die Arbeitgeber müssen im anziehenden Wettbewerb kreativer werden — etwa mit kostenfreien Tablets.

Anhänger des dualen Ausbildungssystems dürften bei einem Blick in den Koalitionsvertrag der neuen NRW-Regierung zufrieden sein. Dort heißt es: "Eine Ausbildung ist genau so viel wert wie ein Hochschulabschluss. Wir lehnen die unnötige Akademisierung von klassischen Ausbildungsberufen deshalb ab." Zugleich kündigt Schwarz-Gelb "intensive Anstrengungen" an, "um die berufliche Bildung besser zu unterstützen".

Fürsprache und Unterstützung hat die klassische Ausbildung dringend nötig, denn tatsächlich entscheiden sich immer mehr Schüler fürs Abitur und anschließend für ein Studium. Gepaart mit der sinkenden Schülerzahl ist das eine äußerst brisante Kombination.

Das wird einmal mehr kurz vor dem Start ins neue Ausbildungsjahr deutlich: Der hiesigen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge gibt es zwei Wochen vor Beginn des Ausbildungsjahres noch mehr als 40.000 unbesetzte Plätze in Nordrhein-Westfalen. "Mit Stand heute ist abzusehen, dass in diesem Ausbildungsjahr erneut viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben", sagt Sophia Tiemann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW. Vor allem in Städten wie Düsseldorf, Köln und Münster gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur deutlich mehr Lehrstellen als Bewerber.

"Mit Smartphones und Social Media aufgewachsen"

Die Arbeitgeber müssen deshalb immer kreativer werden - und großzügiger. Beispiel Deutsche Bahn: Zum Ausbildungsstart im September erhalten die Azubis im ersten Lehrjahr aus den Fachrichtungen Fahrdienstleiter, Lokführer und Kaufmann für Verkehrsservice erstmals ein Tablet. Rund 700.000 Euro lässt sich die Bahn die 1200 Samsung-Geräte inklusive Sim-Karte kosten.

"Beim Thema Digitalisierung bringen die Auszubildenden eine für sie ganz selbstverständliche Expertise mit, sie sind mit Smartphones und Social Media aufgewachsen. Als Arbeitgeber dürfen wir beim Berufseinstieg hier keinen Strömungsabriss zulassen", erklärt DB-Personalvorstand Ulrich Weber. Die Tablets machten die Ausbildung bei der DB attraktiver. "Die Schülerzahlen gehen merklich zurück, der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt wird immer härter", sagt Weber. "Wir haben die Vergütung für Auszubildende um durchschnittlich sechs Prozent erhöht und Zuschüsse bei hohen Mieten eingeführt. Die Tablets sind nun der nächste Schritt."

Rund 575 Azubis stellt die Bahn zum 1. September in NRW ein, davon 118 Elektroniker für Betriebstechnik, 75 Industriemechaniker, 74 Lokführer, 72 Fahrdienstleiter und 26 Kaufleute für Verkehrsservice. Rund 20 Prozent der Azubistellen in NRW sind noch frei.

Stellen im kaufmännischen Bereich beliebt

Auch in anderen Branchen wird noch händeringend gesucht: Engpässe gibt es der IHK NRW zufolge vor allem in technischen Berufen und in der Dienstleistungsbranche. Beliebt seien hingegen Stellen im kaufmännischen Bereich und in der Medienbranche.

Auch die Handwerksbetriebe in NRW suchen noch dringend nach Nachwuchskräften. "Auszubildende fehlen in nahezu allen Berufen, insbesondere im Bereich Sanitär, Heizung und Klima. Aber auch in den Elektro-, Bau-, Maler-, Friseur- und Lebensmittelhandwerken", sagt Andreas Oehme, Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkkammertages.

"Bemerkenswert ist, dass bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen das hohe Niveau des Vorjahres - immerhin der höchste Stand seit 14 Jahren - erreicht wird", sagt Tanja Nackmayr, Geschäftsführerin Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik bei Unternehmer NRW. "Gleichzeitig ist besorgniserregend, dass erneut mehr Ausbildungsplätze unbesetzt zu bleiben drohen. Hier ist von den Bewerbern mehr berufliche und regionale Mobilität gefragt." Gerade diesen Punkt hat die neue Regierung aufgegriffen: "In Abstimmung mit Nahverkehrsverbünden und Arbeitgebern wollen wir den Rechtsrahmen zur freiwilligen Einführung eines Azubi-Tickets schaffen", heißt es im Koalitionsvertrag.

(maxi)
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