Neue Studie Nicht einmal jeder Fünfte ist Gewerkschafter

Düsseldorf · Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln belegt, dass nur 18,9 Prozent der deutschen Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angehören. Dabei gibt es große regionale Unterschiede.

 Ein Gewerkschaftsmitglied der IG-Metall in Kiel vor dem Werkstor von Thyssen-Krupp (Archivfoto).

Ein Gewerkschaftsmitglied der IG-Metall in Kiel vor dem Werkstor von Thyssen-Krupp (Archivfoto).

Foto: dpa, reh fdt

Für Gewerkschaften ist Schlagkraft ein zentrales Gut. In der Stahlbranche, wo der Organisationsgrad traditionell hoch ist, kann die IG Metall Testballons starten. In der Vergangenheit hat sie in dieser Branche wiederholt neue Dinge in Tarifverhandlungen ausprobiert. Umso erschreckender dürfte der Befund einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sein, die unserer Redaktion vorab vorliegt.

Die Tarifexperten haben sich den sogenannten Nettoorganisationsgrad der Gewerkschaften angeschaut, soll heißen: Arbeitslose und Rentner in den Gewerkschaften wurden nicht berücksichtigt. Noch dazu schauten sich die Wissenschaftler nicht nur die Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbunds an, sondern alle Gewerkschaften — also auch Spartengewerkschaften und die Mitglieder im Beamtenbund. Als Datengrundlage diente den Wissenschaftlern das Sozio-oekonomische Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, für das im Jahr 2015 insgesamt 12.000 Haushalte zu ihren Lebensumständen befragt wurden.

Deutschlandweit lag der Organisationsgrad demnach bei 18,9 Prozent. Das heißt, nicht einmal jeder fünfte Beschäftigte besaß einen Gewerkschaftsausweis. Im Westen war der Organisationsgrad mit 19,4 Prozent etwas höher als im Osten: In den neuen Bundesländern lag er bei nur 16,5 Prozent.

Unterschiede zwischen Nordwest und Südost

"Es gibt mehrere denkbare Gründe für die Unterschiede bei den Organisationsgraden", sagt Hagen Lesch, Tarifexperte des IW. "So könnte es beispielsweise sein, dass in NRW der traditionell hohe Anteil von Gewerkschaftern in der Montanindustrie auch auf andere Branchen abgefärbt hat."

Die Autoren der Studie haben große regionale Unterschiede ausgemacht — weniger zwischen Ost und West, als vielmehr zwischen Nordwest und Südost. Lesch rät entsprechend den Gewerkschaften in den Bundesländern mit niedrigerem Organisationsgrad dazu, sich die Arbeit in den stärkeren Regionen genau anzuschauen. "Es reicht nicht aus, immer wieder zu verlangen, dass der Staat Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt", sagt Lesch. "Stattdessen müssen die Gewerkschaften selbst ihre Schlagkraft durch eine bessere Mitgliederwerbung erhöhen."

Das gelte insbesondere für die Branchen außerhalb der Industrie: "Nachholbedarf gibt es ja vor allem in den Dienstleistungsbereichen. Dort ist die Organisation der Belegschaft natürlich schwieriger, weil die Teams kleiner sind und verstreuter arbeiten. Aber dann müssen die Gewerkschaften umso kreativer werden."

Spitzenreiter Saarland, NRW besser als der Durchschnitt

NRW schneidet mit 21,6 Prozent zwar besser ab als der Bundesdurchschnitt. Das sei aber meilenweit entfernt von dem Wert des Jahres 1989. Damals lag der Anteil der Gewerkschafter an den Arbeitnehmern noch bei 30,8 Prozent, ein Wert, der heute nur noch annähernd im Saarland erreicht wird.

Allerdings gilt dort laut IW ein Sonderfall: Arbeitnehmer im Saarland sind per Gesetz dazu verpflichtet, Mitglied in den dortigen Arbeitskammern zu sein. Weil diese eng mit den Gewerkschaften kooperieren, dürfte die Neigung ausgeprägter sein, in eine Gewerkschaft einzutreten.

(maxi)
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