Mega-City "NEOM" In Saudi-Arabien entsteht eine Stadt, die größer ist als Hessen

Riad/Köln · Der Wüstenstaat plant als Teil seines Wirtschaftsumbaus "Vision 2030" den Bau einer Mega-Stadt am Roten Meer und will dafür 500 Milliarden Dollar investieren. Leiter des Projekts ist der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Experten bezweifeln die Machbarkeit.

 Besucher der "NEOM"-Präsentation Ende Oktober in Riad.

Besucher der "NEOM"-Präsentation Ende Oktober in Riad.

Foto: rtr, SAL/ATA

Spätestens in zwei Jahren soll in Saudi-Arabien der höchste Turm der Welt stehen. Der ein Kilometer hohe Jeddah Tower wird dann den derzeitigen Rekordhalter, den Burj Khalifa in Dubai, um fast 200 Meter übertrumpfen. Doch der Wüstenstaat plant derweil schon ein noch viel größeres Projekt: Für mehr als 500 Milliarden Dollar (425 Milliarden Euro) soll als Teil des saudi-arabischen Wirtschaftsumbaus "Vision 2030" im Nordwesten des Landes die Mega-Stadt Neom entstehen. "Wir wollen eine der künftigen Hauptstädte für Wirtschaft und Wissenschaft, den lebenswertesten Ort der Welt und das künftige Handelszentrum Saudi-Arabiens schaffen", sagte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

"Asien und Afrika verbinden"

Das Mega-Projekt, dessen Investitionssumme in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Polens entspricht, übersteigt jede Vorstellungskraft. Auf einer Fläche von 26.500 Quadratkilometern soll Neom entstehen. Damit wäre die futuristische Metropole mit knapp 470 Kilometer Küstenstreifen am Roten Meer größer als die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Hessen - oder gar Israel. Zudem erstreckt sich das Gebiet über die Grenzen Ägyptens und Jordaniens hinaus. Zum Projekt gehört auch eine Brücke über das Rote Meer, die "Asien und Afrika verbinden soll". Noch ist aber unklar, was die betroffenen Nachbarländer von den Plänen halten.

 Klaus Kleinfeld und der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman bei der Vertragsunterzeichnung.

Klaus Kleinfeld und der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman bei der Vertragsunterzeichnung.

Foto: dpa, MA joh pat

Die Mega-City umsetzen soll ein Deutscher. Klaus Kleinfeld, ehemaliger Siemens-Chef, soll das Bauprojekt verantworten. Im Frühjahr hatte der 59-Jährige seinen Posten an der Spitze des US-Technologiekonzerns Alcoa und Arconic nach einer Auseinandersetzung mit einem Hedgefonds räumen müssen. Kleinfeld sei aber weltweit geachtet und habe international gute Beziehungen, sagte der saudische Kronprinz.

Der gebürtige Bremer verantwortet damit ein Projekt, das Saudi-Arabien unabhängiger vom Öl-Export und zu einem globalen Umschlagplatz machen soll. Unternehmen aus neun zukunftsorientierten Wirtschaftsbereichen sollen sich in Neom, einer eigenen Wirtschaftszone mit eigenen Gesetzen, ansiedeln: Energie und Wasser, Mobilität, Biotechnologie, Lebensmittel, Fertigungs- und Materialtechnik, Medien, Unterhaltung, Informationstechnologie sowie Städtebau. Zudem soll die Stadt ausschließlich aus Windkraft und Sonnenenergie versorgt werden. Eine erste Bauphase soll 2025 abgeschlossen sein. Ambitionierte Ziele des Königreichs, die allerdings noch viele Fragen aufwerfen.

"Schon etwas irrwitzig"

"Das hört sich in gewisser Weise schon etwas irrwitzig an. Doch Länder wie Saudi-Arabien sind bei solchen Projekten immer daran interessiert, Aufmerksamkeit zu erregen, weswegen sie sehr bombastisch dargestellt werden", sagt Klaus-Heiner Röhl. Der Experte für Regionalentwicklung beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bezweifelt, dass sich eine Stadt dieser Größenordnung mit Infrastruktur und vor allem Menschen füllen lässt - auch wenn es in Saudi-Arabien eine wachsende Bevölkerung gäbe.

Auch den Plan, in Neom einen Technologiesprung zu vollziehen, indem alle Dienstleistungen und Standardprozesse vollautomatisiert sein sollen, sieht Röhl kritisch. "Die Gefahr besteht, dass die Menschen nicht in eine zuvor nicht erschlossene Region ziehen wollen, in denen Roboter alle Aufgaben übernehmen."

Die Mega-Stadt ordne sich ein bei Projekten, die schon mit mehr oder weniger großem Erfolg abgeschlossen wurden - nur eben um den Faktor zehn vergrößert. Und das Ziel, sich vom Öl unabhängiger zu machen, gehöre schon seit Jahrzehnten zum Wirtschaftsprogramm. "Auch Sonderwirtschaftszonen gibt es schon in anderen Ecken der Welt. Zudem ist Saudi-Arabien generell derzeit sehr bemüht, sich zu modernisieren. Deswegen bleibt die Frage, warum das Land sich nun auf eine Grenzregion konzentrieren will", sagt Röhl. Die Saudis kümmern diese Zweifel nicht: Sie träumen vom nächsten Superlativ. Der Jeddah Tower ist ja bald schon fertig.

(togr)
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