Martin Shkreli Ekel Martin liebt den Profit und die Provokation

Düsseldorf · Martin Shkreli (32) ist das Gesicht des Raubtierkapitalismus. Der Pharma-Investor macht Millionen auf dem Rücken Todkranker. Sein Zynismus bringt ihm Hass ein – und viele Fans. Angeblich ist die ganze Show Teil eines "sozialen Experiments".

 Der Pharma-Unternehmer Martin Shkreli ist der vielleicht "meistgehasste Mann der Welt".

Der Pharma-Unternehmer Martin Shkreli ist der vielleicht "meistgehasste Mann der Welt".

Foto: AP

Martin Shkreli (32) ist das Gesicht des Raubtierkapitalismus. Der Pharma-Investor macht Millionen auf dem Rücken Todkranker. Sein Zynismus bringt ihm Hass ein — und viele Fans. Angeblich ist die ganze Show Teil eines "sozialen Experiments".

13,50 Dollar kostete eine Tablette Daraprim, das für AIDS- und Krebspatienten überlebensnotwendig sein kann. Bis Martin Shkreli (32) sich ein Quasi-Monopol darauf sicherte und ihren Preis erhöhte. Auf 750 Dollar, also um knapp 5500 Prozent. Die Herstellungskosten betragen nach wie vor etwa einen Dollar. In Deutschland kostet die Pille 13,20 Euro.

Shkreli ist durch die unverhältnismäßige Erhöhung des Preises für Daraprim auf einen Schlag bekannt geworden. Im Internet und in den Medien hagelte es scharfe Kritik an seinem Vorgehen. Vergangene Woche nahm das FBI ihn wegen Betrugsvorwürfen als damaligen Chef der Pharmafirma Retrophin fest. Shkreli soll Millionen Dollar abgezweigt haben, um Verluste bei seinem Hedgefonds auszugleichen, teilte ein Gericht in New York mit. Mittlerweile ist er wieder auf freiem Fuß und wirft den Behörden vor, ihn ohne triftigen Grund festgenommen zu haben. Am vergangenen Freitag trat Shkreli als Chef des von ihm gegründeten amerikanisch-schweizerischen Unternehmens Turing Pharmaceuticals AG zurück.

Seitdem Shkreli den Preis für Daraprim drastisch angehoben hat, nennen ihn viele den "meistgehassten Mann der Welt", Amerikas oder zumindest des Internets. Aber nicht nur Facebook-Wutbürger, auch Politiker und Journalisten attackierten Shkreli für diesen extrem aggressiven Zug bei dem Medikament, das ursprünglich vor 62 Jahren patentiert worden war und deshalb längst patentfrei ist. Shkreli verteidigte sich damit, zwingend hohe Profite zu benötigen, weil die Kosten für Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente insbesondere zur Behandlung seltener Krankheiten so exorbitant hoch seien, und in diesen Geschäftszweig wolle er einsteigen, bald, vielleicht. Außerdem würden die Kosten im Zweifel von Versicherungen oder der öffentlichen Hand getragen, wo also sei das Problem?

Doch die Sachebene ist längst verlassen — und das liegt vor allem an Shkreli selbst, der noch nicht mal den Profit so sehr zu lieben scheint wie die Provokation. Einem Journalisten, der nach dem Grund für die Preissteigerung fragte, antwortete er: "Idiot" — vermutlich, weil er die Frage tatsächlich nicht nachvollziehen kann.

Kritik der alarmierten US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton beantwortete er mit einem schmissigen "lol" (sinngemäß etwa: "Ich schmeiße mich weg vor Lachen"). Gern protzt er auch mit den dutzenden Frauen, die den "begehrtesten Junggesellen der Welt" pro Tag nach seiner eigenen Aussage daten wollen:

Sein Erfolg gibt ihm Recht und erhebt ihn über jede Kritik, so sieht das der in Brooklyn aufgewachsene "erfolgreichste Albaner, der jemals auf dieser Erde gewandelt ist" (Shkreli über Shkreli). Seinem Ex-Mitarbeiter Timothy Pierotti soll er nach einem Zerwürfnis geschrieben haben: "Ich hoffe darauf, dich und deine vier Kinder obdachlos zu sehen und werde tun was ich kann, damit das auch passiert."

Seinen eigenen Reichtum inszeniert er umso schamloser: Für zwei Millionen Dollar beispielsweise kaufte er kürzlich das Album "Once Upon a Time in Shaolin" der Rap-Urgesteine Wu-Tang Clan, von dem nur dieses eine Exemplar existiert. Reingehört haben will er noch nicht. "Grundlos werde ich die Platte nicht abspielen", sagte er dazu. "Aber falls Taylor Swift rüberkommen und mir einen Blowjob geben will, würde ich sie ihr vorspielen."

Stattdessen spielt der HipHop-Fan mit dem Gedanken, selbst ein Album aufzunehmen: "Mein Album könnte fünf Millionen kosten. Ich könnte Drake bezahlen, Lil Wayne oder Timbaland." Auch inhaltlich hat er klare Vorstellungen: "Alle rappen über Geld und darüber kann ich vieles erzählen."

Dieser "Swagger", also sein offensiv zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein, bringt ihm Fans ein.

Dass sich Shkreli für einen Gott hält (nur 20 Millionen Dollar reicher), hielt das FBI nicht davon ab, ihn wegen Anlagebetrugs festzunehmen. Er sitzt allerdings schon nicht mehr in Untersuchungshaft: gegen 5 Millionen Dollar Kaution durfte er raus. Nach seiner Freilassung erhebt Shkreli Vorwürfe gegen die amerikanischen Behörden: Die Erhöhung des Preises für Daraprim und seine Pöbelei im Netz sei Teil eines "sozialen Experiments" gewesen, das FBI habe ihn grundlos festgehalten, sagte Shrkeli dem "Wall Street Journal". "Was kann man anstellen, wenn man die Aufmerksamkeit von Millionen von Menschen hat? Ich dachte mir, es müsse Spaß machen, damit zu experimentieren", lautet seine Erklärung für die ganze Aufregung.

Ob er den Preis von Daraprim rückblickend anders gestaltet hätte, wurde Shkreli gefragt. "Ja", sagte er. "Ich hätte ihn noch höher gemacht." Seinen eigenen Hedgefonds habe er zugunsten einer Karriere in der Pharmabranche aufgegeben, "weil man mit Hedgefonds einfach nicht genug verdienen kann".

Mit Agenturmaterial.

(tojo)
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