Nun auch marode Alitalia im Blick Lufthansa zahlt etwa 210 Millionen Euro für Air Berlin

Berlin/Düsseldorf · Die Lufthansa zahlt für die Übernahme großer Teile der insolventen Air Berlin voraussichtlich etwa 210 Millionen Euro. Das teilte Air Berlin am Donnerstag mit. Der Preis könne aber noch angepasst werden, wenn der Kaufvertrag vollzogen wird.

 Flugzeuge von Lufthansa und Air Berlin.

Flugzeuge von Lufthansa und Air Berlin.

Foto: dpa, wk lof

Die Lufthansa übernimmt demnach die Tochtergesellschaften Niki und Luftfahrtgesellschaft Walter mit zusammen 1300 Beschäftigten sowie 20 weitere Flugzeuge der Air Berlin. Der Abschluss garantiere den "Erhalt aller Arbeitsplätze" bei Niki und LGW und eröffne zusätzlich Perspektiven für "mehrere tausend Mitarbeiter" von Air Berlin, hieß es.

Die Verhandlungen mit der britischen Fluggesellschaft Easyjet, die ebenfalls Interesse an Air Berlin geäußert hatte, dauern demnach noch an. Mit Alitalia hat die Lufthansa nun wohl auch schon die nächste marode Fluggesellschaft.

Die Lufthansa übernimmt damit große Teile der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin. Beide Unternehmen unterzeichneten am Donnerstag einen entsprechenden Kaufvertrag. Für 12.00 Uhr war der Notartermin geplant. "In der Tat ist das heute ein großer Tag, den wir in ein paar Stunden mit der Unterschrift besiegeln", sagte Spohr.

Die Übernahme durch Lufthansa wirft nach den Worten von Kartellamtspräsident Andreas Mundt wettbewerbsrechtliche Fragen auf. "Die kartellrechtliche Prüfung steht noch aus. Die Europäische Kommission wird sich das sehr genau ansehen", sagte Mundt unserer Redaktion. "Wir werden das dortige Verfahren begleiten", kündigte der Präsident des Bundeskartellamts an. Bei der Prüfung wird es nach Angaben aus Branchenkreisen vor allem darum gehen, ob durch die Übernahme auf den einzelnen Flugstrecken unzulässige marktbeherrschende Stellungen entstehen.

Air Berlin - die nach Lufthansa bisher zweitgrößte deutsche Fluglinie - hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Der Flugbetrieb seitdem war nur durch einen Kredit des Bundes über 150 Millionen Euro gesichert. Mit dem Lufthansa-Geschäft sollte Air Berlin in der Lage sein, den Bundeskredit von 150 Millionen Euro zurückzuzahlen, der die Airline seit dem Insolvenzantrag vor zwei Monaten in der Luft hält.

Die Geschäftsführung hatte drei Wochen lang exklusiv mit dem deutschen Marktführer Lufthansa sowie mit dem britischen Billigflieger Easyjet über den Verkauf von Teilen des hoch verschuldeten Unternehmens verhandelt.

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach von einem "guten ersten Schritt". Lufthansa sei ein "verlässlicher starker Partner". Die Verhandlungen über die restlichen Unternehmensteile müssten nun zu einem schnellen Ende gebracht werden. Der "Bild"-Zeitung sagte Zypries zudem, sie gehe davon aus, dass die Einigung in Brüssel Bestand habe und "alle Beteiligten bedacht" hätten, dass der Wettbewerb gesichert sein müsse.

Die Gewerkschaft Verdi erklärte, für die Teile von Air Berlin, die Lufthansa erwerben wolle, arbeiteten rund 3000 Menschen. Mit dem Kauf von Niki und LGW garantiere die Airline aber nur für 1450 Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Für den Anteil an der Flotte sei eine Übernahme von Beschäftigten nicht beabsichtigt, stattdessen müssten sich Interessenten neu bewerben. Das sei "ungewöhnlich und rechtlich umstritten". Verdi forderte, die Lufthansa müsse für betroffene Arbeitnehmer Übernahmeregelungen vereinbaren.

Die Vereinigung Cockpit forderte die Lufthansa ebenfalls dazu auf, die "soziale Verantwortung für die Arbeitsplätze" zu übernehmen. Es könne nicht sein, dass sich Piloten nach der Übernahme auf ihre eigenen Jobs bewerben müssen.

Air Berlin hatte mitgeteilt, die Airline sehe gute Chancen, dass etwa 80 Prozent der 8000 Mitarbeiter bei anderen Unternehmen einen neuen Arbeitsplatz erhalten könnten.

Aus Sicht Spohrs wird das Aus für Air Berlin und andere Anbieter die Ticketpreise nicht nach oben treiben. "Denn der Wettbewerb wird sich in Europa und auch weltweit verschärfen", sagte er im Interview mit unserer Redaktion. "Wir gehen von weiter sinkenden Preisen aus." Im Konzern werde man sich mit der Tochter Eurowings selbst Konkurrenz machen. "Da wo es bisher nur Lufthansa und Air Berlin gab, wie beispielsweise zwischen München und Köln, kommen nun Eurowings-Flüge als Ersatz für Air Berlin hinzu."

Spohr kündigte zugleich ein Angebot an, "um im Ausland gestrandeten Passagieren der Air Berlin die Heimreise zu einem fairen Preis anzubieten, sofern wir die Kapazitäten dafür haben". Aus Lufthansa-Kreisen hieß es dazu, es sei schwer zu schätzen, um wie viele Passagiere es dabei gehe. Seit 25. September ist bekannt, dass Air Berlin alle Langstreckenflüge am 15. Oktober einstellt.

Generell wird Air Berlin voraussichtlich ab Ende Oktober nicht mehr unter eigener Flugnummer fliegen, wie es in einem Brief der Firmenleitung an die Mitarbeiter vom Montag hieß. Der insolventen Gesellschaft sei ein eigenwirtschaftlicher Verkehr unter dem Airline-Code AB "nach gegenwärtigem Erkenntnisstand spätestens ab dem 28. Oktober nicht mehr möglich". Tickets für spätere Flüge verlieren ihre Gültigkeit. Der Flugverkehr der nicht insolventen Töchter Niki und LG Walter soll weitergeführt werden.

Unmittelbar nach der Übernahme großer Teile der Air Berlin hat die Lufthansa die nächste marode Fluggesellschaft im Blick. "Wir haben Interesse an einer neu aufgestellten Alitalia", sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag in Frankfurt. Es gilt damit als äußerst wahrscheinlich, dass der deutsche Dax-Konzern an dem bis Montag (16. Oktober) befristeten Bieterverfahren um die einstige italienische Staats-Airline teilnimmt.

Dem Vernehmen nach wird Lufthansa lediglich für Teile der unter Sonderverwaltung stehenden Gesellschaft verbindlich bieten und einen organisatorischen Neuanfang verlangen. In ihrer bisherigen Form gilt die Alitalia als "unsanierbar". Der irische Billigflieger Ryanair war bereits aus dem Bieterrennen ausgestiegen.

Alitalia ist seit Jahren in der Krise und hatte im Mai Insolvenz angemeldet. Dies war bereits vor demselben Schritt bei Air Berlin geschehen, nachdem die gemeinsame Haupteignerin Etihad die finanzielle Unterstützung entzogen hatte. Die Gesellschaft wird durch einen staatliche Überbrückungskredit in der Luft gehalten.

Blaupause für einen Deal mit dem europäischen Marktführer Lufthansa könnte deren Übernahme der Air Berlin sein, wo lediglich Unternehmensteile mit den jeweiligen Start- und Landerechten den Besitzer wechseln sollen. Verwaltung und Technik werden nicht übernommen, und selbst das fliegende Personal muss sich zu großen Teilen neu bei der Tochtergesellschaft Eurowings bewerben und die dortigen Tarifbedingungen akzeptieren.

(csr)
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