Interview mit LEG-Chef Hegel "Nur zufriedene Mieter bringen stabile Erträge"

Düsseldorf · Der Chef des Immobilien-Konzerns LEG, Thomas Hegel, sieht eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt: Die extremen Rendite-Vorgaben, mit denen ausländische Investoren lange Druck ausübten, seien neuen Geschäftsmodellen gewichen.

 Thomas Hegel.

Thomas Hegel.

Foto: Andreas Endermann

Ihr Wettbewerber Deutsche Wohnen wollte Sie übernehmen und wird jetzt selbst geschluckt. Damit bleibt die LEG frei. Sind Sie erleichtert?

Hegel Die Vor- und die Nachteile dieser turbulenten Entwicklung der vergangenen Tage halten sich die Waage. Wir als LEG wollten unseren Aktionären mit der Deutsche Wohnen eine zusätzliche Wachstumsoption bieten. Der Markt hat sich aber anders entschieden. Was heißt das für uns? Wir werden nun unsere bisherige Strategie weiter fortsetzen. Mit dieser Strategie waren wir in der Vergangenheit bereits sehr erfolgreich. Wir verfügen über ein solides wirtschaftliches Fundament und erzielen ein überdurchschnittliches Mietwachstum. Wir haben auch als eigenständiges Unternehmen eine vielversprechende Zukunftsperspektive.

Sie haben Ihren Aktionären im Rahmen der Fusion Einsparpotenziale von 35 Millionen Euro versprochen. Wo nehmen Sie die jetzt her?

Hegel Das Geld fehlt uns ja nicht. Es wäre nur ein zusätzlicher Sparerfolg gewesen, den wir etwa durch die Zusammenlegung der Zentralen erreicht hätten. Weitere Vorteile hätten wir durch die Verbesserung des Ratings erzielt. : Zusammen mit der Deutschen Wohnen hätten wir beispielsweise weitere Finanzierungsvorteile gehabt.

Nochmal: Wo sparen Sie jetzt stattdessen?

Hegel Es war immer schon unsere Philosophie, kontinuierlich auf die Kosten zu achten. Unser laufendes Effizienzsteigerungsprogramm geht weiter. Aber der Abbau von 80 bis 100 Jobs hier in der Düsseldorfer Zentrale, den es bei der Fusion wahrscheinlich gegeben hätte, ist nun vom Tisch. Wir bauen kein Personal ab.

Die Fusionswellen der letzten Jahre haben gezeigt: Der Markt will vor allem große Immobilienkonzerne haben. Ist die LEG nicht viel zu klein?

Hegel Nein, definitiv nicht. Wir verfügen in einem sehr attraktiven Markt und über ein großes Wachstumspotenzial. Das haben uns die Investoren in den vergangenen Wochen immer wieder bestätigt. Sie sehen es auch daran, dass sich unsere Aktie nach der geplatzten Fusion sogar deutlich gestiegen ist.

Das kann sich ja jederzeit ändern. Wie wappnen Sie sich gegen den nächsten Angriff?

Hegel Ich sehe uns nicht als Teil einer Übernahme — weder aktiv noch passiv. Die Konsolidierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt hat ihren Zenit überschritten. Die großen Player sind jetzt alle satt, die kleinen passen nicht in deren Konzept. Nun müssen die neu fusionierten Großkonzerne erstmal beweisen, dass ihre Größe sich auch in steigenden Renditen niederschlägt.

Sie sind also das Mauerblümchen, das keiner mehr will?

Hegel Nein. Wir sind ganz sicher nicht die sitzengelassene Braut. Wir sind ein starkes Unternehmen, das gerade in seiner eigenständigen Strategie bestätigt wurde. Wir haben eine Alternative zum bloßen Wachstum: Was wir kaufen, ist vom ersten Tag an profitabel. Wir wachsen in kleinen Schritten, dafür aber mit kleinem Risiko und vor allem nachhaltig. Das kommt im Markt gut an, übrigens auch bei Mietern und Kommunen.

Was heißt die Fusionswelle für die Mieter?

Hegel Wenn es gut gemacht wird, heißt es für die Mieter gar nichts. Die Mietverhältnisse sind gesetzlich geschützt und nicht abhängig von Fusionen.

Das war aber mal anders. Die Warnung der Mieterverbände vor den britischen Heuschrecken kam ja nicht von ungefähr…

Hegel Der extreme Druck der Eigentümer auf die Renditen, den diese Branche etwa in den Jahren 2005 bis 2013 gesehen hat, ist verschwunden. Das war eine Ära, die sehr von angelsächsischen Investoren geprägt war. Inzwischen haben aber auch die internationalen Investoren begriffen, dass das in Deutschland so nicht funktioniert. Hier brauchen wir zufriedene Mieter, geringe Leerstände und geringe Fluktuation. Nur das bringt langfristig stabile Erträge.

NRW hat zwei der größten europäischen Wohnungskonzerne. Warum müssen die Flüchtlinge in Zelten schlafen?

Hegel Die LEG hat schon über 450 Wohnungen an Flüchtlinge vergeben. Gemeinsam mit anderen Immobilienkonzernen bereiten wir gerade eine neue Initiative zur Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum vor. Wir sind überzeugt, dass hier bei entsprechender Organisation noch sehr viel mehr geht. Ich denke ein realisierbares Ziel könnte die Bereitstellung von zusätzlichen 50.000 bis 100.000 leeren Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen in NRW sein.

Woher kommt die Zahl?

Hegel Wir haben in NRW knapp zehn Millionen Wohnungen, der Leerstand liegt hierzulande bei knapp vier Prozent. Etwa die Hälfte davon wird renoviert oder ist aus anderen Gründen nicht verfügbar. Aber 200.000 davon sind vermietbar. Es sollte möglich sein, zumindest einen erheblichen Teil dieser vermietbaren und leerstehenden Wohnungen den Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen anzubieten.

Warum ist das nicht längst geschehen?

Hegel Weil niemand einen Überblick hat. Voraussetzung ist der Aufbau einer landesweiten Leerstands-Datenbank. Eine weitere Voraussetzung muss die Politik schaffen: Wir brauchen Rechtssicherheit, die es ermöglicht, den Flüchtlingen bestimmte Wohnungen verbindlich zuzuweisen. Ich sehe die Initiative "Wohnraum für Flüchtlinge" deshalb als Private-Public-Partnership-Modell. Politik und Wohnungswirtschaft sollten hier eng zusammenarbeiten. Wir können eine Menge Know-how und Ressourcen einbringen und so zur Problemlösung beitragen.

Aber das Land kann Flüchtlinge, die überall im Land verteilt leben, kaum versorgen….

Hegel Was ist die Alternative? Ich bin mir absolut sicher: Es ist leichter, die Infrastruktur zu den dezentralen Flüchtlings-Wohnungen zu bringen, als zentral neuen Flüchtlings-Wohnraum aufzubauen. Selbst wenn ein erschlossenes Grundstück vorhanden ist: Bis da ein neues Sozialwohnheim entsteht, vergehen mindestens zwei Jahre. Und was passiert mit den Flüchtlingen bis dahin? Zugleich müssen wir bei aller Hilfsbereitschaft die Sorgen unserer Mieter sehr ernst nehmen. Ein behutsames Vorgehen bei der Belegung und begleitende soziale Maßnahmen vor Ort in Kooperation mit den Kommunen sind deshalb unumgänglich.

Sie werden die Datenbank nur mit freiwilligen Angaben füllen können…

Hegel Das ist richtig. Aber die werden wir auch bekommen. Denn von diesem Modell werden alle profitieren: Die Flüchtlinge werden besser untergebracht, die Kommunen müssen sich nicht mit Zeltstädten auseinandersetzen und die Vermieter haben weniger Leerstände. Gegenwärtig wird vor allem auf die Tageslage reagiert. Bei den Menschenmassen, um die es geht, brauchen wir aber ein strukturiertes Vorgehen und den Schulterschluss von Politik und Wohnungswirtschaft. Anders ist das nicht zu schaffen.

(tor)
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