Konzernchef Matthias Zachert "Lanxess wird Krefeld und Dormagen stärken"

Düsseldorf · Der Chef des Kölner Chemiekonzerns, Matthias Zachert, spricht im Interview über Millionen-Investitionen im Jahr 2016, die Gefahr einer Übernahme und die Flüchtlingskrise.

 Lanxess-Chef Matthias Zachert will die Standorte Krefeld und Dormagen stärken.

Lanxess-Chef Matthias Zachert will die Standorte Krefeld und Dormagen stärken.

Foto: Miserius, Uwe

Vor zwei Jahren war Lanxess ein Sanierungsfall. Wo steht der Chemiekonzern jetzt?

Zachert Wir sind gut vorangekommen. Vor zwei Jahren waren wir eines der höchst verschuldeten Chemieunternehmen in Europa . 2016 werden wir nahezu schuldenfrei sein. Darauf sind wir stolz. Wir haben rechtzeitig auf die Kostenbremse getreten, um Auswüchse der Vergangenheit zu korrigieren. Wir haben 1000 Stellen abgebaut, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen. Zudem haben wir mit Saudi Aramco den idealen Partner für unser Kautschuk-Geschäft gefunden.

Warum war das so wichtig?

Zachert Lanxess ist der einzige unter den Top Ten der Kautschuk-Hersteller, der nicht mit einem Reifenhersteller oder einem Rohstoffkonzern verbunden ist. Mit Saudi Aramco haben wir uns nun mit dem größten Ölproduzenten der Welt verbündet. Das wird sich in einigen Jahren, wenn alte Lieferverträge auslaufen, in gesunkenen Beschaffungskosten niederschlagen.

Wann geht das Unternehmen an den Start?

Zachert Derzeit suchen wir einen Namen und stellen die Anträge bei den Kartellbehörden. Starten soll das Joint Venture dann in der ersten Jahreshälfte 2016. Die Zentrale wird grenznah in den Niederlanden liegen.

Warum dort und nicht in Deutschland?

Zachert Es hat zunächst einen symbolischen Grund: Der neue Standort liegt nahezu auf halbem Weg zwischen Köln und Den Haag, wo die Europa-Zentrale von Saudi-Aramco ist. Es gibt aber auch einen steuerlichen Hintergrund: Deutschland hat mit Saudi-Arabien kein Abkommen, das vor Doppelbesteuerung schützen würde.

Fünf Jahre lang hält Lanxess 50 Prozent an dem Joint Venture. Werden Sie dann ganz aus dem autokonjunkturabhängigen Kautschuk-Geschäft aussteigen?

Zachert Die nächsten zwei bis drei Jahre wird der weltweite Kautschuk-Markt weiter unter Überkapazitäten leiden. Das stehen wir gemeinsam durch. Alles Weitere werden wir in fünf Jahren entscheiden.

Wenn Sie Kautschuk abgeben, schrumpft der Umsatz auf ca. fünf Milliarden. Das macht Lanxess zur leichten Beute für eine Übernahme.

Zachert Wir werden derzeit mit vier bis 4,5 Milliarden Euro bewertet. Vor einer Übernahme kann man sich bei dieser Größenordnung nie ganz schützen — außer durch gute Arbeit. Wenn ein Interessent nicht erwarten kann, das Unternehmen besser zu führen, macht eine Übernahme für ihn auch keinen Sinn.

Saudi Aramco zahlt 1,2 Milliarden an Lanxess. Ist das Geld schon auf dem Konto?

Zachert Die Zahlung kommt, wenn der Vertrag rechtsgültig ist, also nach Zustimmung der Kartellbehörden im nächsten Jahr. 400 Millionen werden wir zur Schuldentilgung verwenden, 400 Millionen für Investitionen in unseren Betrieben. 200 Millionen gehen an unsere Aktionäre. Wir werden damit Lanxess-Aktien zurückkaufen, das sollte vorteilhaft für den Kurs sein, und es erhöht den Gewinn pro Aktie.

Nach den Kursverlusten und der Dividendenkürzung 2014 ein schwacher Trost.

Zachert Einspruch! In diesem Jahr ist die Lanxess-Aktie bereits wieder um ein Drittel gestiegen und gehört damit zu den besseren Werten in der Chemieindustrie.

Sehen Sie eine Chance auf Rückkehr in den Dax?

Zachert Das entscheiden die Kapitalmärkte. Gegen einen mit über zehn Milliarden Euro bewerteten Immobilienkonzern wie Vonovia, der uns im Dax ablöste, werden wir es auch künftig schwer haben. Wir freuen uns, falls es eines Tages zurück in den Dax geht, für unser operatives Geschäft ist es aber unerheblich.

Für die Agrarchemie-Tochter Saltigo in Leverkusen haben Sie bereits Investitionen von 60 Millionen Euro angekündigt. Was ist mit den anderen Niederrhein-Werken?

Zachert Lanxess wird neben Leverkusen auch die Werke Krefeld und Dormagen stärken. Hier wollen wir bis 2018 auch Gas geben. Wir planen im nächsten Jahr für die Niederrhein-Standorte Investitionen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags. Jahrelang hat der Konzern insbesondere in Kautschuk investiert, jetzt sind die anderen Bereiche an der Reihe. Das geht aber nur, wenn die betrieblichen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen.

Manche Chemiemanager sagen, dass sich Investitionen in Deutschland wegen der steigenden Energiekosten nicht mehr lohnen.

Zachert Angesichts der Höhe der Energiekosten fiele es schwer, heute eine Bauentscheidung für ein komplett neues Werk in Deutschland zu treffen. Hier ist die Energie inzwischen so teuer wie in fast keinem anderen Industrieland. Vor zehn Jahren machte Energie drei bis fünf Prozent der Produktionskosten aus, heute sind es in einigen Bereichen 13 bis 15 Prozent - und damit ebenso viel wie die Personalkosten. Die Gaspreise in Deutschland sind nahezu dreimal so hoch wie in den USA. Das wirkt sich dramatisch auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte aus.

Energie ist teuer, weil Steuern und Abgaben so hoch sind. 2016 wird die Ökostrom-Abgabe (EEG-Umlage) erneut steigen. Was bedeutet das für Lanxess?

Zachert An einigen Standorten sind wir derzeit von der EEG-Umlage befreit, weil wir dort KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Koppelung) betreiben. Selbst mit dieser Befreiung sind unsere durchschnittlichen Energiekosten in Deutschland aber bestenfalls gleich mit denen unserer übrigen Produktionsstandorte.

Die Politik diskutiert, diesen Vorteil für Eigenstrom-Produzenten zu streichen.

Zachert Das wäre für uns ein Schlag. Müssten die drei Niederrhein-Werke EEG-Umlage zahlen, wäre hier ein zweistelliger Millionenbetrag fällig. Die Kosten müssten an anderer Stellewieder eingespart werden. Doch hier ist kaum noch etwas zu holen. Treibt die Politik die Energiekosten weiter, droht bestehenden Werken langfristig das Aus.

Derzeit wird die Politik von der Flüchtlingskrise beherrscht. Übernimmt sich Deutschland?

Zachert Die Flüchtlingskrise ist Chance und Herausforderung zugleich. Die Zuwanderer können helfen, das demografische Problem in Deutschland zu lösen. Die große Herausforderung ist es, Hunderttausende Flüchtlinge zu integrieren. Das wird für die Politik die entscheidende Aufgabe der nächsten Monate und Jahre. Wer, wenn nicht eine große Koalition, kann dieses Problem lösen?

Was muss die Wirtschaft tun?

Zachert Auch die Unternehmen müssen dazu beitragen, die Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Entscheidend ist, dass die Flüchtlinge schnell die deutsche Sprache lernen. Bei Lanxess in Deutschland arbeiten schon jetzt Menschen aus 56 Nationen — und jeder von ihnen spricht Deutsch. Für Flüchtlinge haben wir bisher bereits 400.000 Euro als Sofortmaßnahme zur Verfügung gestellt. Damit finanzieren wir an unseren Standorten Köln, Leverkusen, Krefeld und Dormagen Sprachkurse. Zudem werden Mitarbeiter, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren, bis zu acht Tage unter Lohnfortzahlung freigestellt.

Was wird aus Ihrem anderen Engagement für Köln: dem Sponsoring für die Lanxess-Arena?

Zachert Der Sponsorvertrag läuft 2018 aus. Die Entscheidung über eine Verlängerung ist noch nicht gefallen, wir werden mit der Arena rechtzeitig reden.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort